Mann, der an Maschine schraubt
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Resilienz

Die Zeit der Krisen: Mit welchen Strategien erfolgreiche Unternehmen auf Herausforderungen wie Klimakrise, Inflation und Co. reagieren.

Reaktion, Weitsicht und Anpassung

Klimakrise, Kriege, Inflation, Fachkräftemangel – die Liste der Herausforderungen für Unternehmen ist lang. Resilienz steht daher ganz oben auf der Prioritätenliste. Doch welche Faktoren fördern die Widerstandskraft? Welche Entscheidungen treffen jene, die trotz Disruptionen und ungünstiger demografischer Entwicklungen am Markt bestehen?

Text: Uschi Sorz 

Rückblickend betrachtet war die Covid-19-Krise erst der Anfang einer Reihe struktureller Challenges für die Wirtschaft. Doch schon damals hat das österreichische Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort die Analyse ihrer Auswirkungen auf die Wirtschaftstreibenden aus der Perspektive der Resilienz betrachtet. „In Krisenzeiten zeigt es sich besonders, ob und in welchem Ausmaß Vorsorge für nicht planbare Ereignisse getroffen wurde“, hielt das Vorwort der 2021 vom Ministerium herausgegebenen Studie „Resilienz und Relokalisierung – wie KMU Krisen besser bewältigen können“ fest. Zentrale Forschungsfrage: Wie schaffen es Unternehmen, Störfaktoren wie Lieferkettenunterbrechungen, erschwerten Vertriebswegen und Absatzeinbrüchen zu trotzen? Dabei kristallisierten sich mehrere dafür entscheidende Dimensionen heraus. Neben einem tragfähigen Geschäftsmodell und einzigartigen Kernkompetenzen zählten etwa auch der Ausbau der Digitalisierung dazu, eine gute betriebswirtschaftliche Performance und eine hohe Einbindung der Mitarbeiter. Erkenntnisse, die nicht nur nach wie vor gültig sind, sondern beherzigenswerter denn je.
 

Effiziente Hebel für multiple Krisen

Die Unternehmensberatung McKinsey rät in einem „McKinsey Quarterly“-Beitrag vom Jänner 2023 sogar zu einer „Resilienzagenda“. Ganz oben müsse die Auseinandersetzung mit den Themen „Reaktion, Weitsicht und Anpassung“ stehen. Angesichts der zunehmenden Komplexität globaler Entwicklungen leuchtet das ein. CEOs werden mittlerweile von den Folgen des Ukraine- und des Gaza-Krieges, der Energiekrise, der Inflation und einem von den Huthi-Rebellen für den Schiffsverkehr blockierten Suezkanal auf Trab gehalten. Und als wäre das nicht genug, schaffen der demografisch bedingte Fachkräftemangel und vor allem der Klimawandel langfristig wirksame neue Fakten. Laut McKinsey gehen resiliente Firmen letztlich jedoch gestärkt aus wirtschaftlichen Extremsituationen hervor, weil sie Schocks nicht nur absorbieren, sondern sogar zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen nutzen können. Die gebotene Stoßrichtung für Unternehmen dabei: „Egal ob sie in die Defensive oder Offensive gehen: Sie haben die Wahl zwischen zahlreichen Hebeln, die genau auf ihr konkretes Profil, ihre Branche und ihre Ausgangsposition zugeschnitten sind.“ Dabei sei auch das Timing ausschlaggebend – im richtigen Moment zu reagieren, sichere den Vorsprung. „Vorreiter sind in puncto Resilienz vorangekommen, verteidigen ihr Geschäft und kurbeln trotz eines schwierigen Umfelds ihr Wachstum an.“

Harold W. Kostka, CEO und CFO Wintersteiger
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Veränderungsbereitschaft und stabile Mitarbeiterfamilie

Die Linzer Schachermayer GmbH dürfte sich in diesem Bild wiederfinden. Im Vorjahr wurde der europaweit agierende Großhändler für Industrie, Handelsbetriebe und Gewerbetreibende aus der Holz-, Metall- und Glasverarbeitung im Ranking des Informationsnetzwerks „Die Deutsche Wirtschaft“ (DDW) zu den umsatzstärksten österreichischen Familienunternehmen gezählt. „Wir setzen sozusagen auf die ,Schachermayer-Konjunktur‘“, sagt Gerd Schachermayer, einer der beiden Geschäftsführer, mit einem Augenzwinkern. Darunter sei die traditionell gewachsene Weiterentwicklungsbereitschaft der Firma zu verstehen, gepaart mit einer Unternehmenskultur des Zusammenhalts. „Schwierigkeiten begegnen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Mehr an Einsatz.“ Schachermayer ist überzeugt: „Veränderung zum Positiven gelingt nur, wenn sie nicht unter Druck, sondern gut geplant und aus eigenem Antrieb erfolgt.“ Da sich Wirtschaft und Gesellschaft seit der Gründung 1838 laufend verändert hätten, sei Weiterentwicklungswille quasi in die DNA der Firma eingeschrieben. „Das sehe ich zusammen mit einer stabilen Mitarbeiterfamilie als Resilienzfaktor.“

Natürlich sind die Krisen der vergangenen Jahre auch an Schachermayer nicht spurlos vorübergegangen. In puncto Lieferengpässe habe sich jedoch die langfristige Strategie bewährt, sich „als Lager der Kundschaft“ zu verstehen. „Unser Lagersortiment ist riesig. Dadurch haben sich uns auch Kunden und Lieferanten wieder zugewandt, die diese Funktion des Handels bereits infrage gestellt hatten.“ Wobei er ein traditionelles Handelsbild nicht für besser halte als moderne Formen des Supply-Chain-Managements, betont der Firmenchef. „Wir sehen gerade das Optimieren und Verschlanken der Supply-Chain als Kernkompetenz des Großhandels.“ Erfolgsgarant sei jedenfalls die ganzheitliche Betrachtung.

Ebenfalls unverzichtbar: die Digitalisierung. „Oft braucht es schnelle, kreative Lösungen für einen Kunden. Dabei ist die digitale Transformation eine große Unterstützung.“ Während die Kundschaft über API-Schnittstellen unkompliziert auf die aktuellsten Produktdaten zugreifen könne, bekämen die Mitarbeiter mehr Zeit für gezieltere Dienstleistungen. „Die Anzahl unserer Verkäufer im Innen- und Außendienst haben wir nicht reduziert, sondern für einen Effizienzschub im Service genutzt.“ 

Schachermayer Fabrik
Schachermayers Erfolgsgeheimnis: Der Wille zur Weiterentwicklung und eine stabile Mitarbeiterfamilie.

Diversität und starke Aufstellung in Nischenmärkten

Die Wintersteiger Holding AG wiederum ist ein Paradebeispiel für einen weiteren Resilienzaspekt aus eingangs erwähnter Studie: Sie stützt ihr Geschäftsmodell auf mehrere Standbeine. Denn, so die vom Ministerium beauftragten Wissenschaftler, „bricht der Umsatz in einem Geschäftsfeld ein, können Umsatzverluste durch die anderen kompensiert werden“. Oder wie es CEO und CFO Harold W. Kostka salopp formuliert: „Mindestens eine unserer vier Sparten läuft immer wie geschmiert.“ In den ersten drei der vier Divisions Sports, Seedmech, Woodtech und Metals ist die Maschinen- und Anlagebaugruppe mit Homebase in Ried im Innkreis zudem Weltmarktführer. Das Angebotsspektrum ist außergewöhnlich breit und reicht von Ernte-, Sä- und Labortechnik über Ski- und Snowboard-Servicemaschinen, Fahrradwaschanlagen, Trocknungslösungen, Richttechnologie, Parkett-, Möbel- und Plattenindustrielösungen bis zu Sägeblättern und Sägewerkstechnik. „Die Börse favorisiert Ein-Branchen-Unternehmen“, meint Kostka. „Da wir nur einen einzigen Aktionär haben, nämlich die Familie Lange, sind wir börsenunabhängig – und gerade durch die starke Aufstellung in anspruchsvollen Nischenmärkten resilient.“ Als beispielsweise die Coronakrise den Skisport stark bremste, habe die Parkettsparte angezogen. 2022 erzielte Wintersteiger 223 Mio. Euro Umsatz, ein Plus von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Hätten wir die Chipkrise nicht zu spüren bekommen, wären wir noch mehr gewachsen“, räumt Kostka ein. „Diese behinderte die Auslieferung unserer Jupiter-Skischleifmaschinen.“

Aber: „Das haben wir längst ausgeglichen.“ Zur Produktdiversifikation komme noch die geografische hinzu. „Wir beliefern mehr als 130 Länder und die absatzbestimmenden Trends sind nie auf allen Erdteilen gleich.“ Mehr als ein Drittel des Umsatzes macht Wintersteiger in den USA, Kanada, Südamerika und Asien.

Georg Schachermayer, Geschäftsführer Schachermayer BmbH

Weiterer Resilienzbooster: die innovative Maschinendigitalisierung. So sind die „fahrenden Labors“ von Wintersteiger einzigartig am Seedmech-Markt. Mit spezieller Software ausgestattete Parzellenmähdrescher messen im Einsatz sämtliche Daten der Pflanzen, u. a. Gewicht oder Feuchtigkeit. „Das ist insbesondere in der Zucht und Erforschung des heute so dringend benötigten klimawandeloptimierten Saatguts ein Riesenvorteil.“ Auch bei der Skiverleih- und Servicesoftware gehe man voran. Vor zwei Jahren hat das Unternehmen die Wiener Digitalagentur Moonshiner mehrheitlich übernommen, um das Datenmanagement in jeder Hinsicht zu beschleunigen. Eine für individuelle Kundenbedürfnisse konzipierte Cloudplattform etwa ist schon weit gediehen.

Darüber hinaus halten beide Leitbetriebe Aus- und Weiterbildung, Employer Branding und Nachwuchskräfte für große Resilienzthemen. „Unsere hello yellow Sportprojekte mit Pumptrack, Velodrom und Skate-Bowl sowie unsere neueste Initiative, das Jugend- und Kulturzentrum „last“, erhöhen unsere Bekanntheit bei den Jugendlichen und vermitteln die Werte unseres Familienunternehmens in einem spannenden Umfeld“, erzählt Gerd Schachermayer. Harold W. Kostka wiederum weist auf die zielgruppengerechte Ansprache in sozialen Medien hin. Beide Firmen bilden zahlreiche Lehrlinge und Trainees aus, Social Benefits sorgen dafür, dass viele bleiben. „Die Hälfte unserer 700 Mitarbeiter hat bei uns gelernt“, so Kostka. 

Großhändler mit langer Tradition

Schachermayer GmbH

  • Unternehmenssitz: Linz, OÖ
  • Mitarbeiter: rd. 2.100
  • Umsatz: 480,0 Mio. Euro (2018)
  • Gründungsjahr: 1838
  • Standorte: 8 in Österreich, 2 in Bosnien-Herzegowina, 3 in Tschechien, 1 in Deutschland, 4 in Kroatien, 1 in Italien, 3 in Ungarn, 1 in Polen, 1 in Slowenien, 1 in Rumänien, 1 in der Slowakei, 1 in Serbien
  • Branche: Großhandel/Technik
  • Segment: Gewerbe, Industrie und Handel
  • Inhaber: Familie Schachermayer
  • Geschäftsführung: Gerd und Josef Schachermayer

Nischenkaiser mit breiter Diversifikation

Wintersteiger Holding AG

  • Unternehmenssitz: Ried im Innkreis, OÖ
  • Mitarbeiter: mehr als 1.200 weltweit, in Österreich rd. 700
  • Umsatz: 223 Mio. Euro (2022)
  • Branche: Maschinen- und Anlagenbau
  • Divisions: 4 (Sports, Seedmech, Woodtech, Metals)
  • Gründungsjahr: 1953
  • Standorte: 30+
  • Repräsentanzen: 60+
  • Belieferte Länder: 130+
  • Exportanteil: 90 %
  • Vorstand: Harold W. Kostka, Group CEO & CFO, Thomas Fürkötter, CTO