Vom Einsatz in der Großindustrie über medizinische Logistik bis hin zum Personentransport – warum Drohnen die Zukunft gehört.
Hoch hinaus
Hoffnung liegt in der Luft: wie Drohnen in der Industrie für Gefahrenminimierung in der Wartung sorgen, wo wir bald in Flugtaxis unterwegs sein werden und was das alles mit Gewürzkümmel zu tun hat.
Text: Susanne Mayer
Wer bei Drohnen bloß an ferngesteuertes Spielzeug denkt, das aufregende Urlaubsvideos für den eigenen Social-Media-Feed dreht, hat die Rechnung ohne die oberösterreichischen Innovationsbetriebe gemacht. Dort etablieren sich durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Industrien neue Einsatzmöglichkeiten von Hightech-Drohnen.
Davon kann Markus Rockenschaub aus Katsdorf im Mühlviertel ein Lied singen. Er arbeitet dort, wo niemand hinwill: in Brennöfen, im Kanal, in Rohrleitungen, Tanks und Luftschächten. Auch hier fallen Wartungsarbeiten an. Und Rockenschaub kümmert sich mit Hightech-Equipment darum, dass nicht Menschen, sondern Drohnen heikle Inspektionen vornehmen. Dabei hat der Oberösterreicher eine Marktlücke besetzt: Outdoor wird der Drohneneinsatz in der Industrie bereits gelebt, im Bereich der Indoor-Drohnen zählt er zu den Pionieren. Rockenschaubs Firma Aerovision Drone Support unterstützt Betriebe wie voestalpine, AMAG, Energieunternehmen und Papierproduzenten, um Anlagen am Laufen zu halten. Das spart Zeit und Geld: „Es braucht mehrere Tage, um ein Gerüst aufzubauen, jemanden hinaufzuschicken und das Gerüst wieder abzubauen. Das schaffe ich mit der Drohne in sechs Stunden“, sagt Rockenschaub, der seinen Kundenstamm seit der Firmengründung 2020 stetig ausbaut. Bei Mitarbeitern seiner Kunden – etwa aus der Wasserkraft – macht ihn das außerordentlich beliebt. So seilten sich Wartungstechniker in den Druckleitungen, die das Wasser vom Speichersee zur Turbine transportieren, früher mit Klettergurt und Skateboards mehr als hundert Meter ab. All das entfällt, wenn Rockenschaub mit seinen Drohnen anrückt. Diese sind für den Einsatz in der Industrie ausgelegt: Ein Käfig aus einer speziellen Metalllegierung schützt sie vor Schäden in engen Schächten. Schachtgrößen von 50 Zentimetern reichen, um die Drohnen einzuschleusen, sie sind mit hochauflösenden Kameras, LED-Lichtern und neuerdings auch Laserscannern für eine 3D-Modellierung der beflogenen Anlagen ausgestattet. Experten verfolgen die Kontrollflüge der Drohne live mit und können so entscheiden, ob Wartungsarbeiten und Reparaturen notwendig sind. Stillstand ist weder für seine Kunden noch für Rockenschaub eine Option – die Sensoren entwickeln sich derart schnell weiter, dass auch er selbst am Ball bleiben muss, um seinen Kunden State-of-the-Art-Instandhaltung zu ermöglichen.
E-Taxi mit Flügeln
Auch Mobilität verlangt ständig nach neuen Lösungen. Eine davon umfasst auch Drohnen für den Personenverkehr in der urbanen Luftmobilität. Der oberösterreichische Innovationsbetrieb FACC beliefert die globale Luftfahrtindustrie mit Leichtbaukomponenten. Zu seinen Auftraggebern zählen auch unterschiedliche Anbieter sogenannter eVTOL(electric Vertical Take-Off and Landing)-Flugzeuge: extrem leichte Drohnen für den Personenverkehr, die das Urban-Air-Mobility(UAM)-Ökosystem vorantreiben. So ist etwa das eVTOL von Eve Air Mobility, einer Tochtergesellschaft des brasilianischen Flugzeugbauers Embraer, für die Beförderung von vier Passagieren und einem Piloten ausgelegt. Die Drohne soll als Flugtaxi eingesetzt werden und sich mit seinen acht Rotoren leise und emissionsfrei durch den städtischen Raum bewegen. Dabei braucht sie wie ein Helikopter nur kleine Landeplattformen. Der Betrieb der elektrischen Senkrechtstarter ist dabei – wie beim E-Auto – so nachhaltig wie die Energiequelle, aus der der Strom für die Akkus kommt.
CEO Robert Machtlinger sieht eine von FACCs Kernkompetenzen als Schlüsselqualifikation, um in der Branche zu reüssieren: „Leichtbau als Querschnittstechnologie zur Erfüllung der Klimaziele in der Luftfahrt ist gefragter denn je. Mit unseren weltweiten Kunden im Kernsegment der zivilen Luftfahrt können wir mit unserer Innovationskraft dazu beitragen, Fliegen noch nachhaltiger zu gestalten.“ Die Reichweite der Drohnen geben Hersteller wie Archer für ihr Drohnenmodell „Midnight“ derzeit mit
20 bis 50 Meilen an. Das städtische Verkehrschaos zu beheben, ist dabei jedoch (noch) kein Ziel: „Die Flugtaxis sollen vorerst nur fixe Routen abfliegen, wie etwa von der Innenstadt zum Flughafen“, sagt FACC-Pressesprecher Jakob Reichsöllner. In den USA kann man sich den Einsatz der Miniflugzeuge auch im Tourismus vorstellen: einmal vom Flughafen zum Grand Canyon und retour.
Die pilotierte Version der Senkrechtstarter wird zudem nur der Anfang sein: „Die Zukunft sehen wir in der vollautomatischen Steuerung, wie sie bereits für autonomes Fahren in Verwendung ist. 2018 ging FACC mit EHang, einem chinesischen Technologieunternehmen für autonomes Fliegen, eine strategische Partnerschaft ein. Mit ersten Zulassungen rechnet Reichsöllner in ein bis zwei Jahren. Allein – bis diese auch für Österreich erfolgen, wird es noch dauern. Testmärkte werden sich auf die USA und China beschränken, wo auch heute bereits autonome Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. FACC hat Standorte in 15 Ländern, Forschung und Entwicklung werden vor allem in Ried im Innkreis vorangetrieben. Und die Oberösterreicher haben große Ziele: Bis 2030 will man sich unter den Top-50-Luft- und -Raumfahrtkonzernen weltweit etablieren.
Wenn Zwischenfrucht nach Drohnen ruft
Die Digitalisierung ist nicht nur in der Industrie weit fortgeschritten – auch die Landwirtschaft kommt ohne Einsen und Nullen nicht mehr aus. Der Einsatz von Drohnen, etwa zur Aussaat oder punktgenauen Ausbringung teurer Dünge- und Pflanzenschutzmittel, hingegen kommt in Österreich noch nicht flächendeckend zum Einsatz. Damit sich das ändert, fährt
Michael Treiblmeier, Geschäftsführer des Planungsbüros Blickwinkel aus Kirchdorf am Inn, gemeinsam mit seinem Team und fünf Drohnen im Gepäck durch ganz Österreich. Mehrere hundert Kunden aus der Landwirtschaft betreut Treiblmeier mittlerweile.
Die Sensoren der Drohnen zählen aus der Luft den Pflanzenbestand, machen kranke Pflanzen und Schädlingsbefall ausfindig und liefern genaue Daten für die Planung von Drainagen oder Feldgrenzen. „Will der Landwirt nur einen Überblick, geht das zügig. Schauen wir uns eine Schadensbemessung im Detail an, braucht das länger“, sagt Treiblmeier. Denn dann spielen große Datenmengen eine Rolle, mit denen der Algorithmus im Hintergrund verschiedene Schadensformen wie Schnecken- oder Hasenfraß ausweist. 60 bis 80 Prozent können Landwirte aufgrund der punktgenauen Ortung von Krankheiten oder Schädlingsbefall bei Kosten für Herbizide und Pestizide sparen. Gar 88 Prozent waren es etwa, als Distelpflanzen aus einem Zuckerrübenfeld entfernt werden mussten.
Große Bedeutung schreibt Treiblmeier der Aussaat von Zwischenfrüchten mit Drohnen zu. Das tut dem Boden gut – und auch dem Geldbörsel der Landwirte. So wird beispielsweise Gewürzkümmel ausgesät, während auf demselben Feld die Wintergerste bereits kurz vor der Ernte steht. Der Mähdrescher erntet das Gerstenkorn, das Stroh verbleibt auf dem Feld und bedeckt die Kümmelsaat, deren reife Samen im Frühjahr des Folgejahrs geerntet werden können. Die Aussaat mit dem Traktor würde die Gerste zu diesem Zeitpunkt zerstören, die Drohne erledigt die Zwischensaat sozusagen im Vorbeifliegen. Den Traktor werde die
Drohne nie ganz ersetzen, so Treiblmeier, aber: „Drohnentechnologie ist ein zusätzliches, wirksames Werkzeug, das umweltschonend zu mehr Ertrag und weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beitragen kann.“
Drohne bringt Blutkonserve
Gemeinsam mit dem Start-up Apeleon, das sich auf Cargotransport mit Drohnen spezialisiert hat, will der ÖAMTC den Einsatz von Drohnen in der Gesundheitsversorgung vorantreiben: „Die Idee ist, künftig medizinische Infrastruktureinrichtungen mit Prioritätsfracht – Blutkonserven, seltenen Medikamenten, Ausrüstung, Laborproben – rasch und kostengünstig zu versorgen“, so Reinhard Kraxner, Geschäftsführer ÖAMTC-Flugrettung in einer Aussendung. Bis zu zehn Kilogramm könnten in Zukunft in einem speziellen Frachtraum der Drohne transportiert werden, sagt Gründer und CEO von Apeleon Andreas Fürlinger. Diese Drohnen könnten in Notfällen Leben retten, indem sie dringend benötigte medizinische Güter schnell an ihren Bestimmungsort bringen. In abgelegenen oder schwer zugänglichen Gebieten könnte dies einen bedeutenden Unterschied machen. Gleich fünfmal so schnell gelangten Blutkonserven in Testprojekten in Deutschland an ihr Ziel. Den Notfallhubschrauber mit Ärzten und Sanitätern wird es auch weiterhin geben. Das Medical Drone Service kann dazu eine sinnvolle Ergänzung sein. Und im Notfall Leben retten.