Go West
Die US-Wirtschaft bleibt das Maß aller Dinge – trotz politischer Fragezeichen. Auch österreichische Unternehmen profitieren von dieser Stärke.
Die USA spielen als größte Volkswirtschaft weiterhin die erste Geige in der Weltwirtschaft. Die jüngste Entwicklung hat die US-Wirtschaft sogar noch stärker werden lassen. So wurden im September mehr als 250.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, deutlich mehr, als erwartet worden war. Die Arbeitslosenquote ist auf 4,1 Prozent gefallen, auch der Sommer ist für den amerikanischen Arbeitsmarkt ausgesprochen positiv verlaufen. Vor dem Hintergrund solcher stabiler Daten konnte die Notenbank Fed erstmals seit vier Jahren eine Zinssenkung durchführen, was die Kreditaufnahme für Unternehmen und Privathaushalte erleichtern sollte. Auch an den Börsen macht sich die Stärke der amerikanischen Wirtschaft sichtbar: Der S&P 500 ist seit Jahresbeginn deutlich im Plus. Nach Ansicht von Analysten liegt das insbesondere an Innovationen in der IT-Branche, vor allem bei künstlicher Intelligenz. Die USA schaffen es wie kein zweites Land, aus Ideen gewinnträchtige Geschäftsmodelle zu zimmern – nicht nur Riesen wie Google, Apple und Meta profitieren von der Digitalisierung, auch eine Vielzahl von Start-ups ist in diesem Bereich aktiv. Weitere Pluspunkte sind die Verfügbarkeit von Risikokapital, investitionsfreudige Firmen und der starke Binnenmarkt. Es gibt also viele sehr gute Gründe, die wirtschaftlichen Chancen des westlichen Riesen genauer zu analysieren. Ein Fragezeichen ist allerdings die politische Entwicklung nach der Präsidentschaftswahl im November: Bleiben die USA zerrissen und wie werden sich innenpolitische Querelen auf das Land selbst und auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen auswirken?
Mit Nähe zum Erfolg
Fest steht, dass die USA für österreichische Unternehmen weiterhin ausgesprochen attraktiv bleiben. Ein Beispiel dafür ist Palfinger: Der weltweit führende Produzent und Anbieter innovativer Kran- und Hebelösungen ist bereits seit mehr als 35 Jahren in Nordamerika aktiv. Das Headquarter befindet sich in Schaumburg, Illinois; außerdem gibt es vier Produktionsstätten und 15 Sales- und Servicezentren. „Damit decken wir die Region flächendeckend ab und gewährleisten die große Nähe zu unseren Kunden, die die Grundlage unseres Erfolgs ist“, erklärt CEO Andreas Klauser. Darauf aufbauend, biete die Region enormes Wachstumspotenzial, schon in den vergangenen Jahren habe sich Nordamerika von allen Regionen, in denen Palfinger tätig ist, am stärksten und schnellsten entwickelt. „Unser Ziel ist es, bald schon ein Drittel unseres weltweiten Umsatzes in dieser Region zu erwirtschaften“, gibt Klauser die Richtung vor. Besonders stark gefragt sind nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden dabei Servicekräne und Mitnahmestapler, bei denen das Unternehmen bereits zu den führenden Anbietern in den USA, Kanada und Mexiko zählen würde.
Palfinger erzielte übrigens im ersten Halbjahr 2024 ein EBIT von 112,2 Millionen Euro; während die Nachfrage in Europa verhalten war, gab es in Nordamerika deutliche Zuwächse.
Chancen mit Nachhaltigkeit
Auch Lenzing ist in den USA stark vertreten. Der Faserspezialist, der im ersten Quartal Umsatz und EBITDA steigern konnte, baut dabei vor allem auf Lyocell, eine sogenannte regenerierte Zellulosefaser, die auf umweltfreundlichere Weise hergestellt werden kann. Die Lyocell-Anlage in Mobile, Alabama, spiele eine entscheidende Rolle bei der Versorgung des lokalen Marktes, insbesondere im Bereich von Vliesstoffen für Hygieneanwendungen, erklärt Rohit Aggarwal, seit Anfang September der neue CEO von Lenzing und Nachfolger von Stephan Sielaff. Der Hintergrund: Der Trend in den USA gehe eindeutig hin zu erneuerbaren und kompostierbaren zellulosischen Rohstoffen und weg von synthetischen, auf Öl basierenden Fasern. „Der US-Markt ist zudem im Bekleidungssektor von großer Bedeutung, da namhafte Marken und ein starker Trend zu nachhaltigeren Produkten bestehen, was teilweise auch durch staatliche Vorschriften gefördert wird“, sagt Aggarwal im Gespräch mit business.
Die voestalpine AG ist schon lange im Land der unbegrenzten Möglichkeiten tätig. Mit rund 3.000 Mitarbeitenden an ihren 49 Standorten im Land – darunter 23 Produktionsstandorte – wurde im vergangenen Geschäftsjahr ein Umsatz von rund 1,8 Milliarden Euro erwirtschaftet, das waren elf Prozent des Konzernumsatzes. In den vergangenen zehn Jahren wurden rund 1,4 Milliarden in den USA investiert. Und es geht weiter: So werden beispielsweise die Produktionskapazitäten in Indiana um rund 70 Millionen Euro ausgebaut, unter anderem wird eine neue Halle errichtet; die Kapazität dieses Werks wird dadurch ab 2026 auf 80.000 Tonnen verdoppelt. Grundlage dafür sind Großaufträge für die Metal Forming Division, die auf Profil- und Rohrprodukte sowie Systemkomponenten spezialisiert ist. Konkret wurden neue, langfristig laufende Verträge mit zwei global tätigen Lkw-Herstellern für den nordamerikanischen Markt geschlossen. Außerdem wurde vor Kurzem eine neue Produktionsstätte in Shelbyville, Kentucky, eröffnet. Das Unternehmen nehme in Europa in der Herstellung von komplexen Spezialrohren und Profilen für den Nutzfahrzeugbereich bereits eine führende Rolle ein. „Nun transferieren wir unser Know-how auf den nordamerikanischen Markt“, erklärt Herbert Eibensteiner, CEO der voestalpine AG. Die aktuellen Großaufträge würden die Basis für diese Expansion bilden.
Rosige Aussichten
Wie geht es weiter mit der US-Wirtschaft?
„Die anhaltend gute Konjunktur sowie umfangreiche Infrastrukturinvestitionen und nun auch die deutliche Senkung des US-Leitzinses schaffen ein positives Marktumfeld in den USA“, analysiert Andreas Klauser, CEO von Palfinger. Investitionen, die durch das Bipartisan Infrastructure Law vorangetrieben werden, würden bedeutende Möglichkeiten für Palfinger-Lösungen schaffen und die USA „auf Jahre hinaus zu einem unserer Schlüsselmärkte“ machen.
Das erwähnte Infrastrukturgesetz der USA ist im November 2021 in Kraft getreten und sieht Investitionen in Höhe von 1,2 Billionen US-Dollar in den Bereichen Verkehr, Breitband, sauberes Wasser und in das Stromnetz vor. Nicht nur für Palfinger, generell bieten die USA für österreichische Unternehmen weiterhin gute Chancen – das Land ist bereits der drittwichtigste Absatzmarkt weltweit. In den kommenden Jahren werden unter anderen die erwähnten Investitionen in die Infrastruktur für weitere Aufträge sorgen, dabei profitieren österreichische Firmen von ihrem Know-how und hochwertigen Technologien.