Die finale strukturelle Liquiditätsquote NSFR

Mag. Daniela Frittum, Mag. Markus Tritthart (Heft 12/2019)


Auf Basis des im April 2019 beschlossenen EU-Bankenpakets ist die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR) ab 28. Juni 2021 nunmehr von allen Kreditinstituten zu erfüllen. Durch ihre Einhaltung soll die langfristige Liquidität gesichert werden. Sie stellt eine Ergänzung zur Liquiditätsquote (Liquidity Coverage Ratio, LCR) dar, die die kurzfristige Liquidität in einem Zeithorizont von 30 Tagen betrachtet. Für kleine und nicht komplexe Banken wurde im Bankenpaket die Möglichkeit einer vereinfachten Berechnung der NSFR vorgesehen. 

Frittum
Tritthart

Zielsetzung

Anlass zur Einführung der eingangs erwähnten beiden Kennzahlen zur Liquiditätsquote war die Finanzkrise ab 2007, als eine kurzfristige Refinanzierung von langfristigen Ausleihungen zum Teil nicht mehr möglich war. Die erklärte Zielsetzung bei der NSFR besteht in der Sicherstellung der mittel- bis langfristigen strukturellen Liquidität über einen Zeitraum von einem Jahr. Damit soll insbesondere die Abhängigkeit von kurzfristigen Refinanzierungen reduziert werden. Exzessive Fristentransformation dürfte dadurch der Vergangenheit angehören.

Seit 2011 findet die sogenannte 'Beobachtungsphase' statt, d.h. die Kennzahl muss von den Kreditinstituten quartalsweise an die Aufsicht gemeldet werden. Die Bestimmungen zur NSFR wurden im Zuge der Erlassung des EU-Bankenpakets zur Überarbeitung der CRR, der CRD und der BRRD umfassend novelliert. Im Folgenden sollen die Grundlagen und wesentlichsten Neuerungen bei der NSFR ausführlicher dargestellt werden.

Änderungen durch das EU-Bankenpaket

Die langfristige Liquiditätskennzahl NSFR (Artikel 413 CRR) berechnet sich derzeit in Form einer Division der stabilen Refinanzierungen durch die langfristigen Verbindlichkeiten (über ein Jahr). Die Kreditinstitute müssen durch diese Kennzahl sicherstellen, dass ihre langfristigen Verpflichtungen durch eine breite Vielfalt von Instrumenten der stabilen Refinanzierung unterlegt sind.

Im Jahr 2015 publizierte die EBA einen 250-seitigen Bericht, der auch eine Auswirkungsstudie beinhaltet, wie die NSFR berechnet werden sollte, um eine angemessene stabile Refinanzierung von Banken innerhalb der EU zu gewährleisten. Auf dieser Basis veröffentlichte die EU-Kommission 2016 einen umfassenden Legislativvorschlag zur Berechnung und Einhaltung der NSFR. In diesen Rechtstext zur NSFR flossen auch Anpassungen an die Delegierte Verordnung der EU-Kommission zur Berechnung der LCR ein. Die Neuerungen zur NSFR wurden nach langwierigen Verhandlungen auf EU-Ebene im Juni 2019 als Bestandteil des EU-Bankenpakets im Amtsblatt der EU veröffentlicht und werden ab 28. Juni 2021 für alle Banken Anwendung finden.

Berechnung und Meldung der Kennzahl

Auf Basis eines neuen Artikel 428b CRR II (Verordnung [EU] 2019/876) wird die strukturelle Liquiditätsquote wie folgt berechnet:

NSFR = Verfügbare stabile Finanzierung
              Erforderliche stabile Refinanzierung

Diese Quote muss mindestens 100% betragen. Von der Erfüllungspflicht auf Einzelebene sind Institute ausgenommen, die einem Liquiditätsverbund angehören und deren Befreiung mittels Waiver von der Aufsicht genehmigt wurde (analog zur LCR). In diesem Fall ist die Kennzahl auf Gruppen- oder IPS-Ebene zu erfüllen.

Für den Fall, dass die strukturelle Liquiditätsquote eines Instituts zu irgendeinem Zeitpunkt unter 100 % gesunken oder davon auszugehen ist, dass dies geschehen wird, ist dies den zuständigen Aufsichtsbehörden (EZB oder FMA) unverzüglich anzuzeigen. Zudem hat die betroffene Bank den Aufsehern auch unverzüglich einen Plan für eine zeitnahe Wiederanhebung der vorgesehenen NSFR-Quote auf (zumindest) das regulatorische Mindesterfordernis vorzulegen. Nach Ansicht des europä­ischen Gesetzgebers sollen im Falle des Unterschreitens der Mindesthöhe nicht automatisch aufsichtsrechtliche Maßnahmen durch die zuständigen Behörden verhängt werden. Diese sollen zuerst die Gründe für die Nichteinhaltung der Mindestquote bewerten, bevor potentielle aufsichtsrechtliche Instrumentarien Anwendung finden (Erwägungsgrund 46 CRR II).

Positionen der NSFR

Im Folgenden sollen die Positionen zur Berechnung der strukturellen Liquiditätsquote näher erläutert werden:

Verfügbare stabile Refinanzierung
Der verfügbare Betrag stabiler Refinanzierung (Available Stable Funding, ASF) als Dividend besteht aus jenen Eigen- und Fremdmitteln, von denen zu erwarten ist, dass sie zuverlässig längerfristig zur Verfügung stehen werden. Der erforderliche Betrag wird ermittelt, indem man alle Aktiva und außerbilanziellen Eventualverbindlichkeiten mit einem Faktor gewichtet, der ihre Liquiditätsmerkmale widerspiegelt.

Sämtliche aktiv- und passivseitigen Positionen werden nach ihrer Restlaufzeit in folgende drei Zeitintervalle eingeteilt: 0 – 6 Monate, 6 - 12 Monate und über 12 Monate. Die Positionen werden je nach Fälligkeit unterschiedlich gewichtet.

So wird etwa für hochliquide Vermögenswerte (sogenannte High Quality Liquid Assets der Kategorie  1, wie etwa Bargeld, Zentralbankguthaben, Government Bonds) keine stabile Refinanzierung (0% Gewichtungsfaktor) benötigt, da diese die höchste Liquidität aufweisen und die Mittel somit jederzeit zur Verfügung stehen. Kredite an Banken mit einer Laufzeit von über 12 Monaten müssen hingegen zu 100% mit stabiler Refinanzierung hinterlegt sein, da man davon ausgeht, dass diese nicht vorzeitig gekündigt werden können.

Neben Eigenkapital können unter anderem Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mindestens einem Jahr, Privatkundeneinlagen mit und ohne Fälligkeit und Termineinlagen von Firmenkunden mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr als stabile Refinanzierung angerechnet werden.

Manche dieser Positionen können jedoch nur anteilig berücksichtigt werden, wie etwa Privatkundeneinlagen ohne Fälligkeit mit 90% statt 100%. Kurzfristige Einlagen von Finanzkunden und die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Kreditfazilitäten bei der Zentralbank (‚Offenmarktgeschäfte‘) werden nicht angerechnet. Dies soll eine zu große Abhängigkeit der Banken von der Zentralbank als Refinanzierungsquelle vermeiden.

Erforderliche stabile Refinanzierung
Zur Berechnung der erforderlichen stabilen Refinanzierung (Required Stable Funding, RSF) als Divisor werden alle Aktiva und außerbilanziellen Eventualverbindlichkeiten eines Kreditinstituts bewertet. Die Gewichtung entspricht annähernd dem Anteil des Vermögenswertes, der nicht durch Verkauf oder Einsatz als Sicherheit flüssig gemacht werden kann. Werden Vermögenswerte als Sicherheit hinterlegt (wie zum Beispiel beim hypothekarischen Deckungsstock), so erhöht sich der stabile Refinanzierungsbedarf für diese Vermögenswerte.

Da auch außerbilanzielle Positionen in Krisenzeiten erhebliche Liquiditätsabflüsse auslösen können, werden für die verschiedenen Positionen dieser Art ebenfalls Gewichtungsfaktoren festgelegt.

Im Wesentlichen unverändert bleiben die Kategorien und Gewichtungsfaktoren. Die größten Unterschiede zur bisherigen Meldung umfassen eine Anpassung der Wertpapierpositionen an die Kategorien der delegierten Verordnung zur LCR (etwa High Quality Liquid Assets Kategorie 1 und Kategorie 2A) sowie die Trennung von besicherten und unbesicherten Krediten und deren unterschiedliche regulatorische Behandlung.

Vereinfachte NSFR 
Im Zuge der Erlassung des EU-Bankenpakets wurde in der CRR II auch erstmals eine Definition von kleinen und nicht komplexen Banken vorgesehen. Im Wesentlichen sollen Institute unter diesen Begriff fallen, deren Bilanzsumme 5 Mrd. Euro nicht übersteigt. Im Sinne des Proportionalitätsprinzips wurde für diese kleinen und nicht komplexen Banken die Möglichkeit geschaffen, eine vereinfachte Berechnung der NSFR-Anforderungen vornehmen zu können (sogenannte simplified NSFR, Artikel 428ai ff CRR).

Die Vereinfachung soll hier insbesondere darin bestehen, dass die simplified NSFR aufgrund ihrer geringeren Granularität die Erhebung einer geringeren Anzahl an Datenpunkten erfordert. Dadurch soll die Komplexität für die Kalkulation der strukturellen Liquiditätsquote für kleine und nicht komplexe Banken reduziert werden. Der Gesamtbetrag der verfügbaren stabilen Refinanzierung entspricht hier der Summe der gewichteten Beträge der Verbindlichkeiten und Eigenmittel. Der Gesamtbetrag der erforderlichen stabilen Refinanzierung entspricht der Summe der gewichteten Beträge der Vermögenswerte und außerbilanziellen Posten.

Die vereinfachte Berechnungsmethodik bringt jedoch keine Abstriche bei den materiellen Anforderungen mit sich. Die Positionen erhalten immer den höchsten Gewichtungsfaktor der vergleichbaren Kategorien der Standardberechnung. Eine Ersparnis bei der Anforderung an die langfristige Liquiditätskennziffer ist somit nicht zu erwarten. Auch ist die Heranziehung der vereinfachten Berechnung der Net Stable Funding Ratio seitens der Bank bei der FMA zu beantragen.

Zusammenfassung

Auf Basis des im April 2019 beschlossenen EU-Bankenpakets ist die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR) ab 28. Juni 2021 nunmehr von allen Kreditinstituten verbindlich zu erfüllen. Die Kennzahl wird berechnet durch eine Division der verfügbaren stabilen Refinanzierung durch die erforderliche stabile Refinanzierung und hat mindestens 100 % zu betragen. Sinkt die NSFR auf unter diesen Schwellenwert ab, ist dies der Aufsicht unverzüglich anzuzeigen und auch ein Plan zur Wiederherstellung des rechtskonformen Zustandes vorzulegen.
Die neue Regelung für kleine und nicht komplexe Institute im Sinne der CRR zur vereinfachten NSFR sieht eine vereinfachte Berechnungsmethode für die strukturelle Liquiditätsquote vor. Eine Ersparnis für die Institute hinsichtlich der geforderten Sicherstellung einer ausreichenden Finanzierungsstabilität soll damit jedoch nicht verbunden sein.

Mag. Daniela Frittum ist Senior Liquidity Risk Manager in der Raiffeisen Bank International AG. Mag. Markus Tritthart leitet die Abteilung Subsidiaries Treasury in der Raiffeisen Bank International AG.

01.12.2019 - Basel III