Mobilität im Wandel: Die europäische Automotive-Industrie ändert sich radikal. Österreichische Zulieferer stellen sich den neuen Herausforderungen mit Mut und innovativen Ansätzen.
Die Chancen des Wandels
Mit welchen Strategien Unternehmen aus den Automotive Industries auf die Herausforderungen der Mobilitätswende reagieren.
Text: Robert Prazak
Vormarsch der Elektroautos, steigender Preisdruck, Konkurrenz aus China, strenge Umweltauflagen, politische Debatten über die Zukunft des Verbrennermotors, kritische Konsumenten – die europäische Automotive-Industrie ist gerade von einem gravierenden Wandel betroffen. Es ist kein einfacher Spagat, den die etablierten Hersteller schaffen müssen: Die Einstellung zur Mobilität ändert sich – die Reduktion von Emissionen wird zum bestimmenden Faktor, nicht nur wegen der ehrgeizigen Klimaziele der EU, sondern auch wegen der steigenden Ansprüche der Käufer in ökologischer Hinsicht. Zudem hat sich die Einstellung zum Pkw generell gewandelt: Der Autobesitz ist für jüngere Zielgruppen einfach nicht mehr so wichtig, wie das früher der Fall war. Trotzdem muss weiter investiert werden, etwa in die Nutzung künstlicher Intelligenz.
Wie wirkt sich der Wandel aber auf österreichische Unternehmen aus? Heimische Zulieferer und Partnerbetriebe spielen für die europäische Automotive-Industrie schließlich eine zentrale Rolle; sie punkten mit Know-how und hoher Qualität. Ein Beispiel ist 3CON mit Sitz in der Tiroler Gemeinde Ebbs unweit von Kufstein: Das 1998 von Hannes Auer gegründete Unternehmen zählt weltweit zu den Top-Playern bei Produktionsanlagen für die Automobilindustrie. Mit rund 750 Mitarbeitern wurde im Vorjahr ein Umsatz von 132 Millionen Euro erreicht; es gibt Werke in den USA, China und Mexiko. Auer sieht die Entwicklung der Industrie als Chance: In seinem Bereich, also Produktionsanlagen für Automobil-Interieur, sei man unabhängig vom Antrieb eines Fahrzeugs. „Das heißt, unsere starke Basis bleibt davon unbetroffen.“ In diesem Spezialbereich sieht er eine Tendenz zu hochwertigeren und nachhaltigen Oberflächen. „Darauf haben wir uns schon früh vorausschauend vorbereitet – mit der Entwicklung von fortschrittlichen Kaschiertechnologien, die im Besonderen auf die Verarbeitung von modernen und nachhaltigen Materialien ausgelegt sind.“ Auch die höhere Modellvielfalt in der Autoindustrie sei positiv für das Unternehmen. Das Hauptquartier in Ebbs wird derzeit ausgebaut, ab 2026 sollen weitere Flächen für die Produktion und für Büroplätze fertiggestellt sein.
Den großen Wandel sieht auch der Fahrzeuglogistiker Hödlmayr als Chance. Mit einem Umsatz von 400 Millionen Euro und 1.700 Mitarbeitern in 16 Ländern ist das Schwertberger Familienunternehmen ein Big Player in diesem Bereich. Auf die Änderungen hat man sich längst eingestellt, erläutert CFO Robert Horvath: „Wir werden unser Serviceportfolio stetig erweitern, wie beispielsweise die E-Lademöglichkeiten.“ So werden Parkflächen mit Photovoltaik ausgestattet, wo Kundenfahrzeuge mit Grünstrom beladen werden können. Zudem wird in Österreich ab Herbst erstmals ein Elektro-Lkw für Rundläufe zum Einsatz kommen.
Produktinnovation
Neue Technologien erfordern Umstellungen. Das will auch die Mark Metallwarenfabrik aus Spital am Pyhrn, Spezialist für sogenanntes Tiefziehen (spanloses Zugdruckformen), nutzen. Hervorgegangen aus einer ehemaligen Schuhösenfabrik, produziert Mark heute präzise Metallteile vor allem für die Automobilindustrie. Laut CFO Nikolaus Blasl wurde zuletzt der Anteil an antriebsneutralen automotiven Anwendungen erhöht. „Durch den Trend zur E-Mobility ergeben sich neue Produkte und Wachstumsmöglichkeiten in den Batterietechnologien, der Ladeinfrastruktur oder zum Beispiel den Komponenten für Anschlusskabel“, erklärt Blasl. Zudem werde die Integration von KI und Assistenzsystemen die Sicherheitsstandards erhöhen und neue Mobilitätsdienste schaffen – auch hier sieht Blasl weitere Chancen für sein Unternehmen, vor allem in der Sensortechnik und den dafür benötigten Komponenten.
Typisch für den Wandel der Industrie ist auch das Motorenwerk Steyr von BMW, das mit einer Produktion von jährlich mehr als 1,2 Millionen Motoren heute eine der Säulen des deutschen Herstellers ist. Das Werk hat sich von einem Pionier der Dieseltechnologie zu einem Vorreiter für emissionsfreie Antriebe entwickelt. So wurden im Vorjahr 23 Millionen Euro in neue Prüfstände und Messtechnik investiert, um die Entwicklung von Hochleistungs-E-Antrieben und anderen Antriebstechnologien zu unterstützen; mehr als die Hälfte der 700 Mitarbeiter im Entwicklungszentrum arbeitet bereits an Elektromobilitätsthemen. Werksleiter Klaus von Moltke sieht diese Investitionen als Schlüssel, um den Standort auch in Zukunft wettbewerbsfähig und zukunftsfähig aufzustellen. „Wir treiben die Transformation des Werks entschlossen voran und positionieren uns technologieoffen für eine erfolgreiche Zukunft.“ Dazu gehört, die Kompetenzen vom Verbrennungsmotor auf den E-Antrieb zu übertragen. Bis 2030 werde der Standort Steyr über eine neue Produktionskapazität von bis zu 600.000 E-Antrieben jährlich verfügen.
Tatsächlich ist diese Offenheit gegenüber neuen Technologien bei den heimischen Spezialisten oft zu hören – auch bei Hödlmayr. „Wir sind offen bezüglich der Lkw-Antriebssysteme“, erklärt CFO Horvath. Wasserstoff ermögliche aufgrund seiner hohen Energiedichte große Reichweiten, während im Nahverkehr die Elektromobilität zum Einsatz kommen wird. Stillstand sieht man auch bei 3CON als Rückschritt. Sein Unternehmen arbeite laufend an neuen Einsatzbereichen des Know-hows und der Technologien, erläutert 3CON-Inhaber Auer. „So sind wir seit einem knappen halben Jahr bei einem Entwicklungsprojekt für innovative Batteriekonzepte mit namhaften Autoherstellern involviert.“ Und bei Produktionssystemen für umweltfreundliche Getränkebehältnisse werden gerade die ersten Chargen zur Prozessabsicherung durchgeführt.
Was macht China?
Diese Frage beschäftigt nicht nur die europäische Wirtschaftspolitik, sondern auch die einzelnen Unternehmen. Das Land fährt in Richtung E-Mobilität, ohne Wenn und Aber. Hödlmayr stellt sich darauf ein. „Europa ist bei E-Autos ein Importmarkt geworden, wir bieten asiatischen Importeuren für ganz Europa die passenden Logistikkonzepte“, sagt Horvath. Auch der Markt in China selbst wird für die Austro-Firmen interessanter. Mark-CFO Blasl sieht wegen der Forcierung der Elektromobilität die Produktions- und Absatzchancen erhöht. Das Unternehmen verfügt seit 2019 über einen Standort in China, die Produktion vor Ort macht es möglich, direkt in China für den dortigen Automotive-Markt zu produzieren, Transportwege zu verkürzen und Zölle zu vermeiden. „Die Präsenz in China sichert uns die Wettbewerbsfähigkeit und die Möglichkeit, global liefern zu können. Dadurch werden wir durch Tier-1-Zulieferer, welche selbst global agieren, verstärkt als strategischer Partner wahrgenommen“, sagt Blasl.
Stichwort E-Auto: Selbst wenn die EU zuletzt vom strengen Fokus auf Elektromotoren – nicht zuletzt auf Drängen der Industrie – wieder etwas abgerückt ist, bleibt Nachhaltigkeit auch für die österreichische Branche ein Kernthema. Nachhaltigkeit sei heute integraler Bestandteil der Strategie und kein Add-on, betont Hödlmayr-CFO Horvath. Neben der Weiterentwicklung von effizienten Verbrennungsmotoren bleibt auch beim BMW Motorenwerk Steyr die Forschung und Entwicklung von E-Antrieben ein zentrales Thema. Das Entwicklungszentrum in Steyr spiele eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Konzeption im Bereich der Elektromobilität, heißt es. Dies umfasst unter anderem das Wärmemanagement, das Zusammenspiel von Elektromotor, Leistungselektronik und Batterie sowie die Optimierung von Antriebsleistung und Verbrauch. Auch KI ist ein Thema, das die Branche beschäftigt. So arbeitet Hödlmayr am Einsatz von KI-Applikationen. Ein Beispiel ist der Loadbuilder, der die KI-unterstützte Beladung von Transporten ermöglicht – in diesem Bereich gibt es eine Zusammenarbeit mit der FH Steyr.
Und wie geht es mit der Automotive-Industrie mittelfristig weiter? Es werde weiterhin Elektro- und auch Verbrennungsmotoren geben, glaubt Robert Horvath (Hödlmayr). „Überall dort, wo mit geringem Aufwand die Infrastruktur erstellt werden kann, schreitet E-Mobilität voran.“ Aber weil in vielen Regionen diese Infrastruktur nicht vorhanden sei, brauche es weiterhin auch Verbrenner- und Hybridfahrzeuge. Der Wandel in der Mobilität könne in Europa nur funktionieren, wenn man nicht mit Verboten arbeitet, sondern die Kunden entscheiden lasse, sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich, ist Horvath überzeugt.