Blockchain
Die geheime Revolution

Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, den Transfer von sensiblen Daten und Werten auf ein völlig neues Level zu heben.

Die Blockchain-Revolution

Sie gilt als Synonym für Kryptowährungen, kann aber viel mehr: Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, den Werttransfer zu revolutionieren. Vom Finanzwesen über die Logistik bis hin zum Gesundheitswesen. Im Paarlauf mit Künstlicher Intelligenz katapultiert sie die Art des Datenmanagements in eine neue Ära ungeahnter digitaler Möglichkeiten.

Text: Rosi Dorudi

Im Vergleich zu Künstlicher Intelligenz (KI) blieben die zahlreichen Möglichkeiten von Blockchain – auf deren Technologie Kryptowährungen basieren – lange Zeit im Verborgenen. Dabei bieten sie die Grundlage für eine große wirtschaftliche Revolution, gewähren sie einen schnellen und sicheren Datentransfer, ermöglichen ein hohes Maß an Transparenz und reduzieren die Kosten innerhalb einzelner Prozesse. „Das Konzept der sogenannten Blocks in einer Blockchain ist essenziell für das Verständnis dieser Technologie“, sagt Alfred Taudes, wissenschaftlicher Leiter des Austrian Blockchain Centers in Wien, das 2019 von der Wirtschaftsuniversität Wien, der FH St. Pölten, der Universität Wien, der Technischen Universität Wien sowie der Universität Innsbruck als Forschungszentrum für Blockchain und verwandte Technologien gegründet wurde. „Im Wesentlichen werden Informationen in einem Verlauf gespeichert, wobei jede Information einen Block bildet. Ab einer bestimmten Größe wird er geschlossen und mit dem vorhergehenden Block über eine eindeutige Kennung, dem so genannten kryptografischen Hash, verknüpft.“ Durch diesen Prozess entstehe eine Kette von Blöcken – eine Blockchain. „Niemand kann nachträglich etwas an einem Block ändern. Genau das ist auch das Prinzip.“ Denn ändere sich eine Information, ändere sich auch ihr Hash und die Kette würde auseinanderbrechen. „Bei der Blockchain-Technologie handelt es sich daher nicht nur um eine Datenbank, sondern um eine Reihe von Datenbanken, die von einem dezentralen Netzwerk verwaltet werden, dem jeder beitreten kann“, so Taudes. Jedes Mitglied habe eine komplette Kopie der vollständigen Blockchain auf dem Computer. „Dies ermöglicht auch die Übertragung von Werten oder Vermögenswerten von einem Ort zum anderen.“ Ein neuer Block könne erst dann hinzugefügt werden, wenn ihn jeder Computer im Netzwerk verifiziert hat. „Das macht eine Blockchain auch so sicher, da sozusagen jeder jeden kontrolliert“, ergänzt der Professor. „Dazu ist keine zentrale Instanz nötig, die Kontrolle wird von der Blockchain selbst technisch hergestellt.“
 

Anwendungsorientierte Lösungen

Waren Kryptowährungen bisher nur eine Anwendungsmöglichkeit der Technologie, ließe sich in der Zwischenzeit damit weit mehr machen, erklärt Taudes. Von internationalen Finanztransaktionen über die dezentrale Speicherung sensibler Patientendaten im Gesundheitswesen bis hin zur lückenlosen Dokumentation von Lieferketten gibt es unzählige weitere Einsatzbereiche. „In der Blockchain-Technologie steckt ein enormes Zukunftspotenzial“, weiß der Experte. Noch reagierten hiesige Unternehmen mit Unsicherheit darauf. Um den österreichischen Markt in diesem Segment wettbewerbsfähig zu machen, vernetzt das Austrian Blockchain Center Unternehmen mit Wissenschaftlern mit dem Ziel, gemeinsam innovative Lösungen für Bereiche wie Finanzen, Lieferkettenmanagement und Energie zu entwickeln. „Die Schwierigkeit bei der Umsetzung von Prototypen liegt aber letztlich in der Vernetzung der Beteiligten, der Klärung rechtlicher Rahmenbedingungen sowie der Festlegung des Mehrwerts für den Konsumenten“, erklärt Taudes. Die österreichische Regierung stehe Innovationen im Blockchain-Bereich jedoch aufgeschlossen gegenüber und fördere verschiedene Projekte im öffentlichen und privaten Sektor. „So haben wir bereits 2019 die Austrian Public Service Blockchain (APSBC) erfolgreich mit den Netzwerkpartnern WKÖ, Gemeinde Wien, Bundesrechenzentrum und nic.at/cert.at umsetzen können.“ Der Datenzertifizierungsservice eignet sich einerseits für den Nachweis der Urheberschaft, andererseits für den Echtheitsnachweis von Dokumenten sowie dem Schutz von Unternehmensdaten. „Wir verwenden die APSBC zur Absicherung von Forschungsdaten und zur Verwaltung von nicht fälschbaren Abschlüssen, Zeugnissen und Zertifikaten“, sagt Taudes abschließend.

Andreas Böhm
© Evelyn Lynam

Transparenz, Sicherheit und Effizienz

Die Transparenz, Sicherheit und Effizienz der Blockchain-Technologie ist die Basis für die nächste Generation eines skalierbaren und dezentralen Internets, ist auch Andreas Tomek, Partner bei KPMG Österreich im Bereich IT Advisory, überzeugt. „Unsere Experten helfen Unternehmen dabei, diese Vorteile zu realisieren. Von der Blockchain-Strategie über den sicheren Umgang mit Tokens und Wallets bis hin zu den vielschichtigen Fragestellungen rund um Steuern, rechtliche Aspekte oder Change-Prozesse – bei der Einführung von Technologien sind wir ein vielschichtiger Partner, der alle Aspekte mitdenkt.“ Essenziell bei der Implementierung einer Blockchain-Lösung seien vor allem der Aufbau von Wissen, die Strategie und die Berücksichtigung zusätzlicher Felder wie Recht, Steuern und IKS/Sicherheit. „Es gibt einige Trends und Entwicklungen, auf die Unternehmen achten sollten“, empfiehlt er. Dazu zählt das dezentrale Finanzwesen, kurz DeFi, das intelligente Verträge für Darlehen oder Versicherungen auf Blockchains benutzt.

Eine weitere Entwicklung seien die Non-Fungible Tokens (NFTs). „NFTs sind digitale Vermögenswerte, die auf der Blockchain gespeichert sind“, erläutert der Experte. „Sie haben in der Kunstwelt, im Gaming und in anderen Bereichen stark an Popularität gewonnen.“ Auch die Interoperabilität zwischen verschiedenen Blockchains sei ein wichtiger Aspekt der revolutionären Technologie. „Mit der zunehmenden Anzahl von Blockchains wird die Fähigkeit, Informationen und Werte zwischen verschiedenen Blockchains auszutauschen, immer wichtiger.“ Für Tomek bieten diese Trends sowohl Chancen als auch Herausforderungen. „Unternehmen, die sich auf diese Entwicklungen vorbereiten, können von den Vorteilen der Blockchain-Technologie profitieren und gleichzeitig potenzielle Risiken minimieren“, sagt er. „Wir unterstützen sie dabei.“

Andreas Tomek
© Lukas Ilgner

Ein starkes Duo

Im Gegensatz zu Blockchain zählt die KI zu den bekannteren technologischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. KI-Systeme ermöglichen, Aufgaben wie Spracherkennung, Lernfähigkeit, Planung und Problemstellungen zu lösen. Sie kommen bereits weltweit zum Einsatz. „Der Schlüssel liegt darin, Daten verfügbar, nutzbar und verknüpfbar zu machen“, sagt Andreas Böhm, Gründer und Geschäftsführer von One Data. Das Unternehmen hat eine Software entwickelt, um mithilfe von KI große Mengen an Daten zu verarbeiten und zu nutzen. „Unternehmen müssen ihre Daten wie ein Produkt behandeln. Gut designte Datenprodukte sparen enorm an Zeit und Aufwand. Sie vermeiden zeitfressende Aufgaben rund um Datenanalyse, -vernetzung und -bereitstellung, die sonst für jeden einzelnen Use Case manuell zu erledigen wären.“

Bislang sei es so, dass Datenexperten in Unternehmen 80 Prozent ihrer Zeit damit verbrächten, Daten zu suchen und zu verwalten, und gerade mal 20 Prozent mit tatsächlichen Analysen, die Mehrwert generierten. Mithilfe von KI ließe sich allerdings über die Datensätze das Verhalten von Kunden vorhersagen und die Betriebsabläufe effizienter steuern. „Unser KI-gestützter Data Product Builder unterstützt Unternehmen bei der Lösung komplexer Datenprobleme, beispielsweise durch Transparenz über die Effizienz der Lieferkette durch Verbindung von Kunden- und Lieferantendaten, Erkennen von Faktoren für Kundenprofitabilität durch systemübergreifende Zusammenführung von Kundendaten und durch die Verbesserung von Bedarfsprognosen durch die Verknüpfung historischer Daten und zukünftiger Planung zu Produkten“, so Böhm. Unternehmen steuern so zusätzlich leicht durch unbeständige Märkte und meistern auch unplanbare geopolitische Ereignisse.

Alfred Taudes

Inflation oder Lieferengpässe

Während also ein Hauptvorteil der KI ihre Fähigkeit ist, riesige Mengen an Daten zu analysieren und Muster zu erkennen, liegt der Hauptvorteil der Blockchain-Technologie in sicherheitsorientierten Funktionen wie Transparenz, Unveränderlichkeit und Dezentralisierung. Experten sind sich daher einig, dass die Verbindung beider Schlüsseltechnologien ein enormes Potenzial zu Innovation hat: Die Integration von Blockchain in KI-Anwendungen könnte etwa durch deren Dezentralität und Transparenz das Vertrauen in die Ergebnisse und Analysen von KI-Systemen erhöhen. Die Blockchain könne zudem als Grundlage für dezentrale Datenmarktplätze dienen, von denen KI-Systeme, die auf umfassende und hochwertige Daten angewiesen seien, profitieren würden.