Ist Arbeit ein Ort?
„Menschen sind am produktivsten, wenn es ihnen gut geht“, sagen Wissenschaft und Hausverstand. Aber was kann man als Unternehmen überhaupt dazu beitragen? Wir haben zwei Visionäre der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich zum Interview gebeten. Personalchef Wolfgang Spitzenberger und Leiter der Konzernentwicklung, Michael Nefischer, verorten den Begriff „Arbeit“ und geben einen persönlichen Ein- und Ausblick in die „new ways of working“ der RLB OÖ AG.
RLB OÖ: Ist Arbeit ein Ort?
Michael Nefischer: Gemäß unserem von der Geschäftsstrategie abgeleiteten Raumkonzept ist ‚dein Arbeitsplatz dort, wo du bist‘! Du sollst dich also nicht deinem Arbeitsplatz anpassen – du wählst den Ort, an dem du das am besten tun kannst.
Wolfgang Spitzenberger: Mir gefällt die Idee von „working@raiffeisen anywhere“. Wichtig ist dabei weniger der Ort als vielmehr die gute Zusammenarbeit mit den Kolleg:Innen.
RLB OÖ: Wie lange stehen Sie selbst schon im Berufsleben?
Spitzenberger: Seit 1995 als Lehrling, also „Karriere mit Lehre“.
Nefischer: Ich bin seit 29 Jahren bei der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.
RLB OÖ: Was hat sich seit dieser Zeit geändert?
Spitzenberger: Unendlich viel! Die größten Veränderungen gab es sicher im Bereich der Digitalisierung und im Führungsverständnis.
Nefischer: Die Frage ist eher – was hat sich nicht geändert? Die RLB OÖ ist in dieser Zeit von der Regionalbank zu einem Konzern herangewachsen, der unter den 4 größten Banken in Österreich weit über das Bankgeschäft hinaus tätig ist und trotzdem maßgebliche Impulse in unserer Heimat setzt. Was sich aber geändert hat, ist die Büroorganisation. Seit unser Stammhaus im Jahr 1974 erbaut wurde sind immerhin fast 50 Jahre vergangen. Mit den damaligen Grundrissen und Gebäudestruktur kann man heute die Anforderungen einer progressiven und modernen Bank nicht mehr optimal abdecken – deshalb bauen wir eine neue Konzernzentrale
RLB OÖ: Was ist alt und gut?
Nefischer: Der alte Raiffeisengeist – wir gestalten die Zukunft und gestalten unser Umfeld. Wir fördern unsere Mitarbeiter und unsere Kunden. Die Themen, die dafür in Bewegung gesetzt werden, verändern sich – die Grundausrichtung ist immer noch die gleiche.
Spitzenberger: Die gelebten Werte von Raiffeisen und die Genossenschaftsidee sind aktueller denn je.
RLB OÖ: Was ist alt und schlecht?
Spitzenberger: „Command and Control“ ist definitiv nicht mehr der gefragte Führungsstil.
Nefischer: Hierarchie, Prestige, Eigentum, Formalismus – Themen die früher kulturell „angesehen“ waren – die aus allen Köpfen zu bewegen ist ein Prozess, der seine Zeit braucht.
RLB OÖ: Was ist neu und gut?
Spitzenberger: Da gibt es richtig viele positive Themen. Meine Top 3 sind: Zusammenarbeit auf Augenhöhe, Eigenverantwortung und Vertrauenskultur.
Nefischer: Stimmt, agieren auf Augenhöhe! Aber auch Diversität und Toleranz – wir wollen kein Durschnitt sein, sondern die besten Eigenschaften kombinieren!
RLB OÖ: Was ist neu und schlecht?
Nefischer: Nicht alle Werte muss man vertreten oder den Akteuren nacheifern: Großkonzerne der Digitalisierung vertreten eine Wertewelt, die nicht mit den Grundsätzen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen vereinbar sind: Wir wollen keine anonymen, wegwerforientieren Geschäftsmodellen nacheifern – wir wollen Werte erschaffen und unseren Grundsätzen dabei treu bleiben.
Spitzenberger: Persönlich finde ich, dass der persönliche Austausch oftmals zu kurz kommt. Ein kurzes Gespräch ist oft effizienter als unzählige Mails.
RLB OÖ: Was bedeutet für Sie der Begriff Arbeit?
Spitzenberger: Arbeit bedeutet für mich „gestalten“.
Nefischer: Arbeit bedeutet Wertschöpfung – und wie das Wort schon sagt hat es mit der Wertewelt zu tun was als Wert angesehen wird. Arbeit ist eine Ressource, in die man seine Fähigkeit einbringt, um Sinn zu stiften.
RLB OÖ: Was bedeutet für Sie der Begriff „New Work“?
Nefischer: New Work ist der Prozess im Rahmen des Kulturwandels. Es sind nicht mehr Dinge wie Arbeitszeit, Gehorsam, Dokumentation etc., die es zu optimieren gilt. Es ist vielmehr der Rahmen und die Ressourcen, die zur Verfügung stehen, um Kreativität und Entfaltungsmöglichkeit bestmöglich zu unterstützen. Das sind einfache Dinge wie Freiheit und Flexibilität in der Arbeitszeit und Arbeitseinteilung – auch die Wahl des Arbeitsortes. Aber auch technologische Ressourcen wie geeignete Collaboration-Tools und technische Infrastruktur, wie Kommunikationssysteme und hybride Zusammenarbeitsmodelle. Auch das von uns selbst entwickelte neue Raumkonzept ist ein wesentlicher Bestandteil davon.
Spitzenberger: Ich durfte einmal Frithjof Bergmann, den Begründer von New Work, kennenlernen. Daher möchte ich ihn hier auch zitieren „New Work ist eine andere Art, Arbeit zu organisieren. Die Absicht ist, Arbeit so zu organisieren, dass sie nichts Gezwungenes ist, sondern man Arbeit tut, die man wirklich, wirklich will.“
RLB OÖ: Was kommt nach New Work?
Nefischer: Gute Frage – die Entwicklung aus eigener Antriebskraft bleibt nicht stehen und es gibt immer ein Danach – selbst New Work ist immer neu – die Entwicklung hört nie auf. Bei meinem Eintritt vor 29 Jahren hätte keiner jemals geglaubt, wo wir heute stehen. So wird es auch in 29 Jahren sein.
Spitzenberger: New Work 2.0 😉. Nein Spaß beiseite. Ich glaube wir haben noch einen langen Weg zu „New Work 1.0“
RLB OÖ: Danke für das Gespräch