Vom Fitness-Franchisegeber zur Genossenschaft – Interview mit Unternehmer Philipp Kaufmann
Genossenschaftsidee ist aktueller denn je
Um das Gemeinsame noch stärker in den Vordergrund zu rücken und effizienter zusammenzuarbeiten, organisierte sich der Fitness-Franchisegeber M.A.N.D.U. in einer Genossenschaft (M.A.N.D.U. e.G.). Das Partnermodell bietet seinen Franchisenehmern das erste selbstbestimmte Franchise-System der EMS-Branche (Elektro-Muskel-Stimulation): Der Franchise-Nehmer ist somit nicht nur sein eigener Chef, sondern auch am Franchise-Geber beteiligt.
„M.A.N.D.U. ist seit 2012 Marktführer und Vorreiter beim EMS-Training in Österreich. Nach der intensiven Aufbauphase der letzten Jahre wollten wir alle Franchise-Nehmer und zukünftigen Partner mit der Genossenschaft am gemeinsamen Erfolg beteiligen und ein partnerschaftliches Modell leben“, begründet M.A.N.D.U.-Gründungsvorstand Philipp Kaufmann die Weiterentwicklung zur Genossenschaft und ergänzt: „Die Entscheidungsfindung innerhalb der M.A.N.D.U.-Familie findet zukünftig somit gemeinsam mit allen Genossenschafts-Mitgliedern statt, die Kosten werden für alle gesenkt und über die Verwendung der Gewinne der Genossenschaft entscheiden alle Mitglieder gemeinsam. Damit sind wir im Sinne von ‚M.A.N.D.U. 2030‘ perfekt für die nächsten zehn Jahre aufgestellt.
Nach den intensiven Aufbaujahren hat man sich umfassend mit einer Standortbestimmung beschäftigt und erkannt, dass die Vorteile von selbstständigen Unternehmern in einem Franchise-System, kombiniert mit dem Genossenschaftsgedanken ein optimales Umfeld schafft, damit der einzelne Partner wirtschaftlich erfolgreich sein kann.
Peter Haubner, Verbandsanwalt des Österreichischen Genossenschaftsverbandes, sieht im kooperativen Wirtschaften ein Zukunftsmodell: „Wir sind fest davon überzeugt, dass dem kooperativen Wirtschaften die Zukunft gehört. Denn die Genossenschaft eignet sich bestens für die Umsetzung verschiedenster unternehmerischer Ideen, wie zahlreiche Erfolgsbeispiele beweisen. Es freut uns sehr, dass sich nun auch der Fitness-Franchisegeber M.A.N.D.U. entschlossen hat, auf die Zukunftskraft Genossenschaft zu setzen. Willkommen in der Genossenschaftsfamilie!“
Wir haben Unternehmer MMag. Philipp Kaufmann, MMAS zum Interview gebeten und ihn zu dieser Grundsatzentscheidung befragt.
RLB OÖ: Die Genossenschaftsidee ist in vielen Köpfen ein etwas verstaubtes Unternehmenskonstrukt. Wann und warum haben Sie das erste Mal mit dem Gedanken gespielt, dass Fitness-Business und Genossenschaft eigentlich ganz gut zusammenpassen könnten?
Phillipp Kaufmann: Mein Antrieb als Unternehmer ist es, mit Menschen neue Ideen zu verwirklichen, die nicht nur auf das schnelle Geld abzielen, sondern auch nachhaltig sind und Wirkung entfalten, denn „Visionen ohne Umsetzung bleiben geträumt.“ Mit dem Genossenschaftskonzept bin ich seit Kindesbeinen an bestens vertraut: mein Vater hat mich früher an Wochenenden zu Generalversammlungen mitgenommen. Schon damals hat es mich fasziniert, dass die Mitglieder zwar heftig über Ideen und Ausrichtungen diskutieren bzw. manchmal auch streiten, aber danach wieder zusammen auf ein Bier gehen. Im Rahmen meiner Matura habe ich dann eine Fachbereichsarbeit zum Thema Friedrich Wilhelm Raiffeisen und seine Genossenschaftsidee geschrieben.
Gemeinsam mit Oliver Strauss habe ich 2012 M.A.N.D.U. gegründet und wir feiern in diesem Jahr das zehnjährige Bestehen. Zuerst gab es die klassische Struktur: Einerseits eine GmbH in unserem Besitz als Franchise-Geber und andererseits eine Vielzahl an Franchise-Nehmern. Im Herbst 2020 war dann der perfekte Zeitpunkt für die Umwandlung in eine Genossenschaft. Wir haben schon vorher oft mit dem Gedanken gespielt, aber die Corona-Krise hat diesen Schritt sicherlich beschleunigt. Ich will mich bei M.A.N.D.U. nicht in den Vordergrund drängen, denn es sind die Personal Coaches, Premium Coaches und die Franchise-Nehmer, die vor Ort im Store für die Member die Begleiter sind – sie sind es, die die Gesichter und Aushängeschilder von M.A.N.D.U. sind. Das ist auch der Grund, warum es uns wichtig war, Verantwortung und Gewinnchancen abzugeben bzw. zu teilen. Wir sind jetzt mit unseren Standorten Franchise-Nehmer wie alle anderen und gemeinsam sind wir alle Franchise-Geber. Somit partizipieren alle am gemeinsamen Erfolg.
In der bisherigen Struktur blieb immer der bittere Beigeschmack, dass der Franchise-Geber alleine das Sagen hat und alle Franchise-Nehmer letztlich Entscheidungen aufoktroyiert bekommen. Wir sind aber alle eine große Familie, die zusammenarbeitet, da will niemand lediglich „top-down“-Entscheidungen und Anweisungen bekommen. Das muss „bottom-up“ passieren. Nur so kann M.A.N.D.U. weiterhin wachsen und größer werden. Nur mit dem Wir-Effekt, den die Genossenschaft bietet, können sich die Franchise-Nehmer als Familie begreifen, die Kräfte bündeln und gemeinsam stärker sein. Insofern ist für mich der Genossenschaftsansatz alles andere als verstaubt, sondern sehr innovativ und modern. Er bietet vor allem in Krisensituationen einen absoluten Benefit, da keiner im Stich gelassen wird und Entscheidungen gemeinsam im Team gefällt werden.
Wie reagierten die Franchisenehmer auf die neue Art der Partizipation?
Es war anfangs für die Franchise-Nehmer sicher etwas ungewohnt, sich umzustellen und innerhalb der Genossenschaftsstrukturen auch Verantwortung zu übernehmen, Themen vorzuschlagen, zu moderieren bzw. sich aktiv miteinzubringen. Das ist aber eben im Umkehrschluss auch der große Benefit eines Genossenschaftssystems und ein Novum in der Fitnessbranche: Wo hat der Franchise-Nehmer bzw. Store-Inhaber im Fitnessbereich denn schon mal die Chance, nicht nur Befehlsempfänger zu sein, sondern aktiv an Entscheidungen und Entscheidungsprozessen teilzuhaben? Was man auf jeden Fall schon im ersten Jahr gesehen hat, war der Wow- und Aha-Effekt, den wir alle erlebt haben. Spannend war die Dynamik der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Zusammenhalts. Und für alle Franchise-Nehmer, die neu dazugekommen sind, war dies eine völlig neue Welt: Sie sind von Beginn an Teil einer großen Familie und sind auch am Franchise-Geber beteiligt, nicht nur einfach Franchise-Nehmer. Die Reaktionen und Feedbacks haben uns gezeigt, dass wir mit der Umstellung auf das Genossenschaftssystem auf jeden Fall einen richtigen Weg eingeschlagen haben.
Wie lange dauerte die Umstellung und wer hat Sie bei der Transformation begleitet?
Die Umstellung wurde in einem Rekordtempo von weniger als einem halben Jahr umgesetzt. Dies war nur dank der Unterstützung von Barbara Pogacar vom ÖGV (Österreichischen Genossenschaftsverband) möglich, die uns begleitet hat. Sie war eine große Hilfe und hat uns bei allen Schritten bestens begleitet.
3 Dinge, die Sie an Genossenschaften schätzen.
- Das Motto „Einer für alle, alle für einen“ wird nicht nur metaphorisch, sondern tatsächlich gelebt: Die Franchise-Partner können kollektiv und gemeinsam die Entscheidungen treffen. Der Franchise-Nehmer ist nicht nur sein eigener Chef, sondern auch am Franchise-Geber beteiligt.
- Der Ein- bzw. Ausstieg erfolgt schnell und unbürokratisch. Für alle diese Aktivitäten fallen geringe bzw. keine Kosten an und der Aufwand ist für alle Beteiligten überschaubar.
- Kooperatives Wirtschaften ist ein absolutes Zukunftsmodell und der gemeinsame Einkauf ermöglicht es für alle, die Kostenstruktur zu optimieren. Die Genossenschaft ist nicht Selbstzweck, sondern im Vordergrund steht der wirtschaftliche Erfolg des Mitglieds. So ist der gemeinsame Einkauf bei M.A.N.D.U. dann erfolgreich, wenn wir dadurch Produkte bekommen, die wir ohne unsere Marktmacht sonst in der gewünschten Qualität und Preis nicht bekommen hätten.
3 Dinge, die bei Genossenschaften länger dauern/schwerfälliger sind als in einer GmbH-Struktur bzw. auf die Sie verzichten könnten?
- Die Entscheidungsfindung dauert mitunter länger bzw. muss längerfristig vorbereitet werden.
- Festgelegte und abgestimmte Strategien sind vermeintlich nicht schnell abänderbar. In einer GmbH-Struktur kann die Geschäftsführung schneller dem Willen der Gesellschafter Folge leisten als der Vorstand einer Genossenschaft.
- Partizipation und Mitbestimmungsrechte gehen natürlich auch mit mehr Verantwortung und Selbstorganisation einher. Als Funktionär einer Genossenschaft muss bzw. sollte die Bereitschaft vorhanden sein, sich ehrenamtlich und für das Gemeinwohl zu engagieren, obwohl man kein Gehalt dafür kriegt. Es ist also quasi ein „non-profit soziales Engagement“ für Funktionäre. Hier ist das richtige Mindset aller Partner entscheidend und es bedarf einer intensiven Kommunikation bzw. Schulung, um alle abzuholen und einzubinden.
Die Umstellung erfolgte im ersten Jahr der Pandemie. Hatte Sie Einfluss auf Ihre Entscheidung?
Sie hat die Entscheidung bzw. Umstellung sicherlich beschleunigt, der Grundgedanke existierte aber bereits vorher und wir haben bereits 2018/2019 erkannt, dass wir in der bisherigen Struktur mehr Spannungen aufbauen, als wir Lösungen finden. Wir wollen mit M.A.N.D.U. langfristig erfolgreich sein und der Gedanke soll von vielen mitgetragen werden. Uns geht es nicht um das schnelle Geld, sondern um die gelebte Vision, die zur Realität wird und dafür ist eine Genossenschaft genau die richtige Rechtsform.
Sie erwähnten, mit der Umstellung auf eine Genossenschaft, „Im Sinne von M.A.N.D.U. 2030“ nun perfekt für die nächsten Jahre aufgestellt zu sein. Welche Themen sollen hier bis 2030 noch eingepflockt und welche weiteren unternehmerischen Schritte gesetzt werden?
Für mich sind dies Elemente, die man folgendermaßen fassen kann: weitere Expansion, Verbindung Fitness / Ernährung, medizinische Expertise, Brand-Awareness stärken sowie Digitalisierung / Kundenbetreuung.
- Weitere Expansion: M.A.N.D.U. hat bereits 50 Standorte in 5 verschiedenen Ländern, der Hauptteil konzentriert sich aber noch auf Österreich. Wir wollen expandieren und vor allem in Amerika und Europa weiterwachsen. Wir waren übrigens der erste FDA-zertifizierte EMS-Anbieter in Amerika und haben dort 400 Standorte für die nächsten Jahre vertraglich gesichert. Wir wollen aber auch besonders in Europa weiterwachsen und dafür schafft das Genossenschaftsmodell die perfekten Voraussetzungen.
- Verbindung Fitness / Ernährung: Neben der Stärkung der Muskelkraft als absolut zentralem Kriterium von M.A.N.D.U. sollen die Komponenten „Ernährung / Gesundheitsbewusstsein“ noch stärker in den Fokus gerückt werden. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation mit dem Tiroler Start-up Bergblut, die innovative, kalt gepresste Abnehm- und Detoxkuren anbieten und wovon auch die M.A.N.D.U.-Member profitieren werden. Darüber hinaus wird im M.A.N.D.U.-Flagship-Store auch ein eigenes Café eröffnet, wo beispielsweise die Bergblut-Saftkuren und Shots angeboten werden und mit einem speziellen Angebot Fitness und Ernährung verbunden werden.
- Brand-Awareness stärken: M.A.N.D.U. ist der österreichische EMS-Marktführer, jedoch ist EMS in Österreich/Europa noch ein Nischengebiet der Fitnessbranche. Dementsprechend muss ein Fokus daraufgesetzt werden, die Marke zu stärken, auszubauen und die Markenbekanntheit zu steigern. Einen wichtigen Pfeiler stellt dabei neben den Franchise-Nehmern und den Personal Coaches vor Ort im Store, das Online Marketing respektive Social Media Marketing dar. Das Spektrum reicht hier von Aktivitäten auf Facebook und Instagram über MessengerPeople (Kanalisierung von Homepage-Anfragen, Chats und WhatsApp) bis hin zu Google Banner respektive Google Ads. Hier sollen und müssen in Zukunft die Aktivitäten noch intensiviert werden.
- Digitalisierung / Kundenbetreuung: Die Digitalisierung hat im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal zusätzlich an Fahrt aufgenommen. Neben den erwähnten Punkten der verstärkten Online-Marketing-Aktivitäten im Punkt „Brand Awareness“ ist es vor allem wichtig, dem Kunden vor Ort im Store jene Prozesse zu digitalisieren, die einen tatsächlichen Mehrwert bieten. So kann der Member bereits über die eigene M.A.N.D.U.-App seine Trainingstermine buchen, wichtige Push-Benachrichtigungen auf sein Handy bekommen bzw. seinen Vertrag digital abschließen und auch die InBody-Erfolgskontrolle wird direkt in die Cloud hochgeladen. Hier gilt es für die Zukunft die bestehenden digitalen Prozesse zu pflegen und sukzessive zu erweitern bzw. Trends zu erkennen und diese sinnvoll zu adaptieren und zu implementieren.
- Medizinische Expertise: Mit dem Medizinprodukt von miha bodytec II medical (EMS-Geräte bzw. Westen) und der InBody-Waage (Erfolgskontrolle), die nach dem Goldstandard misst, arbeiten wir bereits jetzt mit zwei absolut kompetenten Fachpartnern zusammen. Hier soll bzw. wird die Kooperationen in Zukunft noch enger ausfallen und die medizinischen Faktoren noch mehr in den Vordergrund rücken.
Ein zweiter Punkt ist die Aus- und Weiterbildung im Fitnessbereiche: Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen gibt es im Fitnessbereich keine verpflichtende Aus- und Weiterbildung. M.A.N.D.U. geht hier jedoch bewusst einen anderen Weg und steht für eine umfangreiche Aus- und Weiterbildung, denn die fitnesstechnische und medizinische Expertise muss von jedem einzelnen Personal Coach gelebt werden. M.A.N.D.U. setzt bei der Ausbildung seiner Trainer, Premium Coaches und Franchise-Nehmer auf ein zweistufiges Aus- und Weiterbildungsprogramm, welches sowohl praxisnah als auch online erfolgt. Die E-Learning-Plattform der hauseigenen Bildungsakademie „Campus one life“ wurde in Kooperation mit „Wirtschaftsimpulse“, einem Experten für E-Learning, konzipiert und umgesetzt.
Jedes neue Mitglied der M.A.N.D.U.-Familie kann sich orts- und zeitunabhängig, flexibel und digital selbst per E-Learning für M.A.N.D.U. fit machen. In der ersten Stufe werden mittels E-Learning fitnessrelevante Inhalte für das Personal Coaching vermittelt, in der zweiten Stufe wird das Gelernte in die Praxis umgesetzt. Nach Abschluss der Ausbildung verfügen die Teilnehmer über fachspezifisches Wissen der EMS-Geräte und der InBody-Waage (Ganzkörperanalyse) sowie über ein tiefes Verständnis der Wirkungsweise von verwendeten Technologien und Trainingsmethoden. M.A.N.D.U. steht dabei für lebenslanges Lernen und bietet diese Aus- und Weiterbildung laufend an.
Welche Unternehmungen könnten Ihrer Meinung nach vom Genossenschaftssystem profitieren?
Aus der Erfahrung der letzten Monate sehe ich den Genossenschaftsgedanken bei vielen Unternehmen als Chance. Oftmals denken viele über eine GmbH oder andere Formen der Kooperationen nach, denken aber nicht an eine der ältesten Möglichkeiten, die leider viel zu oft als verstaubt oder veraltet betrachtet wird. Wir haben aber erfahren dürfen, wie modern und zeitgemäß eine Genossenschaft ist und welche ungeahnten Vorteile diese bietet. Gerade der Hype um Start-ups und digitale Geschäftsmodelle sollte in Zukunft um eine Renaissance des Genossenschaftsgedanken ergänzt werden. Wir freuen uns darauf und sind stolze Genossenschaftsmitglieder.