Zukunft made in Austria
Umwelttechnologie und Lifesciences sind Wachstumsmotoren für die österreichische Wirtschaft: welche Innovatoren aus Industrieabgasen bares Geld machen und wer Herzen auch außerhalb menschlicher Körper schlagen lässt.
Text: Susi Mayer
Österreich mag klein sein – in den aufstrebenden Branchen der Umwelttechnik und der Lifesciences, zu denen Biotechnologie, Pharmaindustrie und Medizintechnik zählen, bestehen jedoch besondere rot-weiß-rote Wachstumschancen. Fast 1.000 Unternehmen und über 60.000 Mitarbeiter zählt die Lifesciences-Szene: Über 25 Milliarden Euro Umsatz wird in ihr erwirtschaftet – mit einem Beitrag von fast acht Prozent zum österreichischen BIP ist die Wertschöpfung doppelt so hoch wie etwa im Tourismus, Tendenz steigend. Besonders viele F&E-Ressourcen werden in die Felder Krebsforschung, Gentherapieforschung und Medizinprodukte investiert. Auch Disziplinen der Umwelttechnologie wie Recycling, Aufbereitung biogener Reststoffe, Luftreinhaltung und Trinkwasserreinigung sind in Österreich auf dem Vormarsch. „Made in Austria“ ist in der Umwelttechnologie jedoch nicht gleichbedeutend mit „Staying in Austria“: Die Exportquote von Umwelttechnologie beträgt über 80 Prozent – Tendenz ebenfalls steigend. Jeder Job in der Umwelttechnik schafft heute zwei weitere Jobs in der klassischen Industrie. Mehr als 2.700 Unternehmen bilden für Österreich einen positiven Imagefaktor als fortschrittliche Technologielieferanten. Und der Green Deal wird zum Booster für die Branche.
Saubere Luft – gutes Geschäft
Ein gesundes Klima beginnt bei sauberer Luft. Nicht jede Branche leistet dazu ihren Beitrag. Mit unterschiedlichen Technologien aus der Luft- und Abgasreinigung sowie Filteranlagen arbeitet die Scheuch Group an der Verbesserung dieser Bilanz. Wenige Autominuten nördlich von Ried im Innkreis setzt sich das Unternehmen für die Vereinbarkeit von Umweltverantwortung und Wirtschaftlichkeit ein. Dabei verbessern Scheuchs Technologien die Produktionsleistung und die Umweltbilanz gleichermaßen. 1963 begann Scheuch als Spenglerei: Der ersten lufttechnischen Anlage für das Krankenhaus Ried folgen Aufträge aus der Metallindustrie und der Steine-Erden-Industrie. Heute entstauben die Innovationen von Scheuch allein im Edelstahlwerk Kapfenberg stündlich 1,4 Millionen Kubikmeter Betriebsabluft, für die Lithiumproduktion entwickelt Scheuch Abgasreinigungskonzepte, Filter- und Absauganlagen reduzieren Emissionen aus der Metallverarbeitung. In Müllverbrennungsanlagen und Biomassekraftwerken reinigt Scheuch Rauchgase aus dem Verbrennungsprozess. Mittels Wärmerückgewinnungsanlagen gelingt es, aus dem Rauchgas gewonnene Wärme in den Energiekreislauf zurückzuführen.
Der Green Deal als Wachstumsmotor
All das stemmt Scheuch mit 1.500 Mitarbeitern, die 2023 einen Umsatz von 317 Millionen Euro erwirtschaftet haben – bei einer Exportquote von 80 Prozent. Der „Green Deal“ der EU beschleunigt das Wachstum. Das umfassende Regelwerk lenkt Unternehmen zur Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks und betrifft alle Sektoren der Wirtschaft – und damit auch die Industrie. Das gibt der Scheuch Group ordentlich Auftrieb: „Unternehmen müssen höhere Umweltstandards einhalten, was die Nachfrage nach unseren Technologien ankurbelt. Gesetzliche Regelungen zu Emissionsgrenzen und die Förderung von nachhaltigen Investitionen tragen dazu bei, unsere Wachstumsziele voranzutreiben“, erklärt CEO Stefan Scheuch die neuen Marktchancen. In die Internationalisierung will man weiterhin investieren. Die umsatzstärksten Märkte liegen derzeit mit Österreich, Deutschland und Frankreich auf dem europäischen Kontinent, wobei sich „der amerikanische Markt in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt hat“, sagt Scheuch. Nächster Halt: Südostasien.
Gut eingepackt
Einen großen Hebel für nachhaltigeres Wirtschaften wird heute der Kreislaufwirtschaft zugeschrieben: PET-Flaschen gelten als Musterbeispiel für den immerwährenden Produktkreislauf. Produkte aus PET (kurz für Polyethylenterephthalat) können nach der Verwendung geschreddert, gereinigt und ohne Qualitätsverlust wieder zu neuen Produkten verarbeitet werden. Das ist auch das Geschäftsmodell von PETman aus Frankenburg am Hausruck. Hier werden sowohl Plastikfolien aus recyceltem PET als auch aus Virgin-Materialien hergestellt: von Lebensmittelverpackungen bis zu Lösungen für die Pharmaindustrie. Auch PETman profitiert von strengeren EU-Vorgaben zum Umweltschutz: Bis 2025 sollen 25 Prozent der Plastikflaschen, bis 2030 gar 30 Prozent der Plastikflaschen und PET-Verpackungen aus recyceltem Material bestehen. Für PETman nichts Neues, sagt CEO Markus Neudorfer: „Für mich ist das seit 25 Jahren relevant, nicht erst, seit es die Gesetzeslage vorsieht. Leider braucht es in der Wirtschaft oft gesetzliche Regelungen, Vorgaben oder Strafzahlungen, damit Nachhaltigkeit wirklich ins Rollen kommt.“
Aus Alt wird Neu
Der Unterschied in der Nachhaltigkeitsbilanz zwischen neu hergestelltem PET und wiederverwerteten Flaschen ist jedenfalls enorm: Recycelte Flaschen weisen bis zu 80 Prozent weniger CO2-Äquivalente auf. PETmans Produkte verkaufen sich gut – auch ins Ausland. Über 80 Prozent der Produkte wechseln ihren Besitzer über die Landesgrenzen hinweg. Beliefert werden Länder von Malta bis England, mit der Schweiz, Deutschland, Polen und Tschechien als wichtigsten Absatzmärkten. 30 Mitarbeiter fertigen in Oberösterreich zwischen 45 und 50 Tonnen Verpackungsmaterial pro Tag, über 8.000 Tonnen pro Jahr. In der Schweiz ist PETman zudem an einem Innovationsprojekt beteiligt, das die Recyclingquote verdreifachen soll. Die Inhalte des Gelben Sacks werden mithilfe von optischer Erkennungssoftware, Infrarot und künstlicher Intelligenz nach Materialtyp aussortiert. Eine Verpackung bleibt eine Verpackung – ein Vorhaben, das sich Neudorfer auch für Österreich wünscht, wo bisher noch der Großteil des Kunststoffmülls verbrannt wird.
Diagnose mit Herz
Neben Umwelttechnologien sind auch Branchen der Lifesciences-Disziplinen in Österreich auf der Überholspur. „Reinventing cardiac drug discovery“ – das haben sich CEO Michael Krebs und sein Team zur Mission gemacht. Ihre HeartBeat.bio AG mit Sitz im Vienna BioCenter in Österreich hat dazu die sogenannte Cardioid-Drug-Discovery-Plattform entwickelt. Auf Basis reproduzierbarer Herz-Organoiden soll die menschliche Physiologie des Herzens nachempfunden werden. Unter Organoiden versteht man im Labor gezüchtete, dreidimensionale, mehrzellige Mikrogewebe, die aus Stammzellen gewonnen werden und die komplexe Struktur und Funktionalität eines menschlichen Organs abbilden. Die neue Technologie soll die Modellierung von Herzerkrankungen in einer Dimension ermöglichen, die mit anderen In-vitro-Systemen derzeit nicht erreicht werden kann. „Wir wollen mit unserer Technologieplattform die präklinische Forschung und Entwicklung von neuen Medikamenten gegen Herzerkrankungen radikal verändern, indem wir neue Medikamente für Menschen auch an Menschen entwickeln. Natürlich nicht an lebendigen Personen, sondern an humanen Surrogatmodellen, die die Erkrankung im Patienten möglichst weitgehend rekapitulieren“, erläutert Michael Krebs. Ziel sei es schlussendlich, hochwirksame Medikamente zur Behandlung von Herzinsuffizienz zu entwickeln − und das auf eine Weise, die schneller, kostengünstiger und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche klinische Studien geschieht.
Zahlreiche Erfolge in wenigen Jahren − darunter die Auszeichnung als eines der zehn innovativsten Start-up-Unternehmen in Österreich sowie als eines der 20 innovativsten Pharma-Start-ups weltweit – zeugen davon, wie vielversprechend die Pläne von HeartBeat.bio sind. Im Zuge der Einwerbung von in Summe mehr als zehn Millionen Euro von privaten Kapitalgebern und öffentlichen Förderungen kam es auch zur Zusammenarbeit mit der Invest AG. Die gemeinsamen Ziele sind laut Michael Krebs klar definiert: „Wir wollen unsere Technologieplattform für den breiten kommerziellen Einsatz in der Medikamentenentwicklung fertig entwickeln, anhand einer Reihe von Kundenprojekten validieren und lukrative Partnerschaften mit Pharma- und Biotechunternehmen abschließen.“ Krebs ist überzeugt: Jetzt sei der ideale Zeitpunkt, um in den radikalen Wandel der Pharmaforschung zu investieren. Wenn alles gut läuft,
könnte in fünf bis sieben Jahren Erntezeit sein. Daran wird gearbeitet.