EZB: Uneinigkeit beim Thema Inflation
Die Inflation ist derzeit so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr und spaltet die Gemüter von Experten. Während andere Notenbanken dagegensteuern, zieht die Europäische Zentralbank (EZB) für ihr Zögern Kritik auf sich.
Einer der einflussreichsten Ökonomen, John Maynard Keynes, sagt: „Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung.” Ob dies auch auf die EZB zutrifft? Die Währungshüter in Frankfurt beruhigen seit Längerem, dass die Inflation nur temporär hoch sei, und prophezeien für 2022 bereits niedrigere Teuerungsraten. Hauptargument ist dabei der sogenannte Basiseffekt, der aus dem Vergleich mit der sehr geringen Inflation aus dem letzten Jahr resultiert. Zuletzt hatte die EZB auch ihr Inflationsziel umformuliert – von „nahe zwei Prozent” auf „mittelfristig zwei Prozent”. Im Euroraum ist die Inflation zuletzt im November auf 4,9 Prozent gestiegen. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euroraum, lag sie sogar bei 5,2 Prozent. In Österreich betrug die Teuerungsrate 4,3 Prozent. Ohne Energie, Lebens- und Genussmittel einzubeziehen, stieg das Preisniveau um 2,6 Prozent. Diese Kerninflationsrate wird von der EZB als verlässlicheres Inflationsmaß angesehen.
Geteilte Meinungen
Viele Ökonomen sind der Meinung, dass die Inflation auch 2022 hoch bleiben wird: Höhere Inflationserwartungen könnten die Verbraucher dazu veranlassen, bestimmte Produkte schon früher als üblich zu kaufen. Die erhöhte Nachfrage treibe die Preise von Neuem an. Vor allem drohe bei einer länger anhaltenden Inflation zusätzlich eine Lohn-Preis-Spirale, Arbeitnehmer und Gewerkschaften würden entsprechend höhere Löhne fordern. Die Unternehmen würden jedoch höhere Kosten durch höhere Preise wieder an die Verbraucher weitergeben. Durch Lockdowns und Corona-Maßnahmen fokussier sich zudem der aktuelle Konsum größtenteils auf Produkte und weniger auf Dienstleistungen, wodurch sich Lieferverzögerungen ergeben, welche die Preiserhöhungen noch verstärken. Kritiker werfen der EZB vor, mit ihrer Geldpolitik die Inflation anzuheizen, weil diese über Anleihenkäufe Milliardensummen in die Märkte pumpt. Die EZB hält die Zinsen seit Jahren auf einem Rekordtief. In Zeiten der Hochkonjunktur wurde die Chance auf Zinsanpassungen nicht genutzt. Den südeuropäischen Ländern und deren Vertretern im EZB-Rat kommt diese Strategie entgegen. Die enormen Schuldenberge dieser Volkswirtschaften lassen sich dadurch günstig refinanzieren.
Es wird einsam um die EZB
Wirft man ein Blick auf andere Nationalbanken und deren Meinungen zum Thema Inflation, zeigt sich ein breiteres Bild. Die norwegische Nationalbank hat den Leitzins bereits im September nach einer deutlichen wirtschaftlichen Erholung angehoben. Auch die neuseeländische Nationalbank ist diesem Weg gefolgt und hat sich mit zwei Zinsanhebungen innerhalb zweier Monate gegen eine steigende Inflation im Land gestemmt. Zahlreiche osteuropäische und südamerikanische Notenbanken haben längst auf einen Zinserhöhungszyklus eingeschwenkt. Auch die US-amerikanische Notenbank Federal Reserve weicht ihre vorsichtige Haltung auf. Ein schnellerer Rückzug bei den Anleihenkäufen und mögliche Zinsanhebungen im nächsten Jahr werden wahrscheinlicher. Die EZB bleibt – noch – bei ihrem bekannten Mantra. Freilich, die Ausgangslage der Notenbanker in Frankfurt ist eine weitaus unbequemere als jene ihrer Kollegen in Washington & Co: Sie müssen eine einheitliche Geldpolitik für einen Währungsraum mit vielen unterschiedlichen Gesetzen und für starke und schwache Volkswirtschaften gleichermaßen schaffen. Keine einfache Aufgabe.
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