Immobilienpreise: Stagnation statt Einbruch

Der österreichische Wohnimmobilienmarkt zeigt sich erstaunlich resilient. Im zweiten Quartal des Jahres stagnierten die Preise auf hohem Niveau.

Die Befürchtungen waren groß, als die Europäische Zentralbank (EZB) letztes Jahr die Zinswende einläutete und der heimische Regulator die Kreditvergaberichtlinien spürbar verschärfte. Von einem „perfekten Sturm” war die Rede. Die steigenden Zinsen und die strengeren Vorschriften haben ihre Wirkung zwar nicht verfehlt, das Volumen der neu zugezählten Hypothekarkredite ist massiv eingebrochen. Dennoch zeigt sich der österreichische Wohnimmobilienmarkt von diesem doppelten Gegenwind überraschend unbeeindruckt, zumindest im zweiten Quartal dieses Jahres, wie die neuesten Immobilienpreisdaten der OeNB ausweisen. Während die Preise im vierten Quartal 2022 noch um fast zwei Prozent fielen – was immerhin die stärkste Preiskorrektur auf Quartalsbasis seit Anfang 2011 bedeutet –, hat sich der Preisrückgang seither spürbar eingebremst. Nach einem österreichweiten Minus von nur mehr 0,4 Prozent zu Jahresbeginn stagnierten die Immobilienpreise im zweiten Quartal mit einem Rückgang von lediglich 0,2 Prozent. Der Wohnimmobilienmarkt stürzte nach seinem jahrelangen Steigflug demnach nicht ab, sondern verlor nur etwas an Höhe.

 

Ausblick bleibt ungewiss

Für eine Entwarnung dürfte es freilich zu früh sein. Wann die Zinsen ihren Plafond erreichen werden, ist genauso ungewisswie die Zeitspanne des Zyklus. Der Blick in die Statistik zeigt außerdem eine „Zweiteilung” auf dem Immobilienmarkt. Die Stabilität der Preise ist maßgeblich neuen Objekten geschuldet, während der Altbestand seit letztem Herbst eine deutliche Preiskorrektur hinnehmen musste. Während sich neue Wohnungen in Österreich (exklusive Wien) zwischen Q3 2022 und Q2 2023 um 3,5 Prozent verteuerten, wurden gebrauchte Wohnungen um fast 3 Prozent billiger. Diese Kluft ist im zweiten Quartal sogar noch einmal größer geworden. Der Neubau verteuerte sich um 2,5 Prozent, während der Altbestand um 0,4 Prozent billiger wurde. Die hohen Baukosten der letzten Jahre konnten den Daten zufolge an die Käufer:innen weitergereicht werden, die augenscheinlich energetisch hochwertige Neubauwohnungen präferierten. Anders ist die Situation älterer Wohnungen, deren Heiz- und Betriebskosten 2022 besonders deutlich gestiegen sind. Hier drohen unter Umständen auch teure Nachrüstungen in der Zukunft. Immobilie ist eben nicht gleich Immobilie.

 

Realer Wertverlust

Zudem ist die Zahl an Transaktionen stark rückläufig. Der Markt befindet sich weiterhin in einer Findungsphase, in der die Preisvorstellungen auf beiden Seiten auseinanderklaffen und ein hohes Maß an Ungewissheit über das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herrscht. Käufer:innen und Verkäufer:innen stehen sich gewissermaßen wartend gegenüber. Auch darf nicht übersehen werden, dass in Zeiten hoher Inflation selbst stabile Preise mit einem satten realen Wertverlust einhergehen. Analyst:innen schätzen, dass sich das inflationsbereinigte Minus bis 2025 auf circa 15 Prozent aufsummieren könnte. Damit würde sich die historisch abgeleitete Beobachtung bestätigen, dass „Betongold” zwar eine gute Absicherung gegen eine durchschnittliche oder leicht erhöhte Inflation ist, aber nicht vor hoher oder sogar sehr hoher Preisentwertung schützt.