Kommt die EZB mit einer Transparenz-Offensive?

Die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) werden in einer kompakten Version veröffentlicht und erläutert. Zinsmeinungen oder Prognosen der einzelnen EZB-Ratsmitglieder gehören bis dato nicht dazu. Wird sich dies in der Zukunft ändern?

Geldpolitische Beschlüsse

Die geldpolitischen Entscheidungen, welche die EZB fällt, sollen der Gewährleistung von Preisstabilität und dem vorrangigen Ziel, der Geldpolitik des Eurosystems, dienen. Im sogenannten EZB-Rat sitzen die nationalen Vertreter:innen der jeweiligen Eurozonen-Mitglieder. Der EZB-Rat tagt dazu in der Regel zweimal pro Monat. Er beurteilt dabei die wirtschaftliche und monetäre Entwicklung und fasst dann alle sechs Wochen seine geldpolitischen Beschlüsse (Leitzinsentscheidungen). Die EZB kann neben den klassischen Leitzinsen weitere Instrumente zur Steuerung des Finanzsystems einsetzen. Diese werden dann am selben Tag der Veröffentlichung in einer Pressekonferenz vonder aktuellen EZB-Präsidentin Christine Lagarde erläutert. Nachgelagert werden auch sogenannte „Accounts” veröffentlicht, in denen eine Zusammenfassung der geldpolitischen Diskussion innerhalb des EZB-Rats zu finden ist. Es handelt sich dabei aber nicht um wörtliche Protokolle oder konkrete Abstimmungsergebnisse der einzelnen EZB-Ratsmitglieder.


Idee Dot Plot

Eine Idee der amtierenden EZB-Direktorin Isabel Schnabel bei einer Rede zuletzt sorgte für ein „Aufhorchen”: „Ich kann mir durchaus vorstellen, mit einer Art Dot Plot, die Prognosen der EZB-Ratsmitglieder anonymisiert zum künftigen Zinspfad zu veröffentlichen, um dadurch den Märkten mehr Informationen zur Verfügung zu stellen.” Die Nationalbank der USA „Federal Reserve” (FED) nutzt diesen sogenannten Dot Plot bereits seit Längerem. Der Dot Plot ist eine grafische Darstellung der individuellen Zinsprognosen der relevanten Mitglieder, die zu den Entscheidungen der FED beitragen. In der Regel wird er viermal im Jahr veröffentlicht. Jeder Punkt im Dot Plot entspricht der Prognose eines einzelnen Mitglieds für den Leitzins für das laufende Jahr, das kommende Jahr und auf längere Sicht. Je weiter diese Punkte auseinanderliegen, desto größer ist die Ungewissheit. Eine europäische Variante würde die Interessen und Meinungen der einzelnen EZB-Ratsmitglieder hier wohl nochmal deutlicher aufzeigen.

Skepsis

Kritische Reaktionen von EZB-Ratsmitgliedern zu den Überlegungen Schnabels folgten prompt. Eine Mehrheit befürchtet, dass eine Veröffentlichung ihrer Zinsprognosen den Druck von den eigenen Regierungen erhöhen würde, um die Positionen ihrer nationalen Regierungen stärker zu vertreten. Bisher schützt die EZB ihre Ratsmitglieder genau in diesem Punkt und veröffentlicht keine Informationen zur Meinungsverteilung oder Ähnliches. Einige nationale Notenbank-Chefs stehen der Idee wohl offen gegenüber und wären bereit, diesen Vorschlag im EZB-Rat zu diskutieren. Die nächsten EZB-Entscheidungen werden zeigen, ob sich die Idee von mehr Transparenz inder einen oder anderen Form durchsetzt oder der Status quo in diesem Thema beibehalten wird.