Kraft des Kapitalmarkts für das Klima nutzen

Was kann der Finanzmarkt gegen den Klimawandel ausrichten? Die Ratingagentur ISS-oekom debattierte in Wien Wege und Instrumente für das ambitionierte Ziel.

Die UNO-Klimakonferenz in Katowice ging im Dezember über die Bühne. Jetzt gehen die Aufgaben erst so richtig los. Die Ratingagentur ISS-oekom diskutierte mit Vertretern der heimischen Banken und institutionellen Investoren über Herausforderungen und Chancen eines zukunftsfähigen Finanzmarktes. Rahmenbedingungen dafür sind etwa die 17 UN-Ziele einer nachhaltigen Entwicklung. Darüber hinaus präsentierte im Frühjahr die "High Level Expert Group" der EU-Kommission Vorschläge zur nachhaltigen Neuausrichtung des EU-Finanzmarkts.
 

EU-Aktionsplan

Der "Action-Plan" zu Finanzierung nachhaltigen Wachstums listet zehn Punkte auf. Darunter etwa die Einführung eines EU-Klassifikationssystems für nachhaltige Tätigkeiten, Normen für umweltfreundliche Finanzprodukte und der verpflichtende Hinweis zur Nachhaltigkeit in der Finanzberatung. Darüber hinaus werden institutionelle Anleger und Vermögensverwalter ausdrücklich angehalten, Nachhaltigkeitsaspekte in den Entscheidungsprozess für Investitionen einzubeziehen. 

Im Pariser Klimavertrag wird klar die Lenkungsrolle der Finanzmärkte hervorgehoben. Um den Klimawandel zu bekämpfen, eine nachhaltige Entwicklung zu sichern und die Armut zu beseitigen, müssen "Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden. Mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung."

Für Maximilian Horster, Leiter der Klimaforschungsabteilung bei ISS-oekom, zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: "Bis dato wurde der Klimawandel als Risiko für die Renditen gesehen. Jetzt rückt man mehr und mehr davon ab. Denn vom Klimawandel sind alle betroffen. Alles ist miteinander verschränkt." Geht nämlich die "licence to operate" verloren, also die gesellschaftliche Akzeptanz eines Unternehmens und seines Geschäftsmodells, geht es rasch an die Substanz. Investoren würden sich künftig überlegen, was mit dem Investment, mit dem Portfolio und den Erträgen passiert, wenn höhere CO2-Preise, neue Regulierungen tiefgreifende Einschnitte mit sich bringen. Horster weist in dem Zusammenhang auf unterschiedliche Bestimmungen beim Stimmrecht von Aktionären hin, um so das Management zu einem Kurswechsel zu bewegen. In Skandinavien würde bereits eine Aktie reichen, in den USA sei das ab einer Beteiligung von 2.000 Euro möglich, aber in Europa seien dafür oft drei bis fünf Prozent des Aktienkapitals erforderlich.
 

Enorme Investitionssummen

Um die Klimaziele zu erreichen, ist viel Geld notwendig. Enorm viel mehr, als derzeit in die Sektoren Energie, Wasser oder Abfallvermeidung fließt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezifferte 2014 die erforderliche Summe in der EU allein im Strombereich auf rund 100 Mrd. Euro jährlich. Laut "Bloomberg New Energy Outlook" betrugen die europäischen Investitionen in "clean energy" in den Jahren 2016 und 2017 zwischen 50 bis 60 Mrd. US-Dollar. Wobei - laut gleicher Quelle - Europa gegenüber Asien und dem gesamten amerikanischen Kontinent immer stärker zurückfällt.

Jyrki Katainen ist in der EU-Kommission für Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständig. Ihm zufolge braucht es jährlich zusätzlich 180 Mrd. Euro, um die Klimaziele der EU für 2030 zu erreichen. Sollte die Temperatur nur um 1,5 Grad steigen, müsste es noch deutlich höher ausfallen.

Valdis Dombrovskis ist Vizekommissionschef und zuständig für den Euro und den Finanzmarkt und ist erster Ansprechpartner bei klimafreundlichen Investments. Er möchte die "enorme Kraft der Kapitalmärkte im Kampf gegen den Klimawandel nutzen und die Nachhaltigkeit fördern". 
 

Ankurbelung

Dass die Finanzwirtschaft in dieser Richtung auch tatsächlich funktioniert, zeigt das tägliche Geschäft: Wolfgang Pinner, Vorstand des Forums Nachhaltige Geldanlagen und Leiter nachhaltiges Investment bei Raiffeisen Capital Management, verweist auf enorme Steigerungsraten im Sektor. Von 2012 bis 2017 gab es im Bereich nachhaltiger Geldanlagen Wachstumsraten von jährlich 23 Prozent bei institutionellen Anlegern und von 31 Prozent bei privaten. Damit es so bleibt, gibt es laut Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG, einen mächtigen Hebel und der heißt: "Information, Information, Information. Die guten Performance-Daten für nachhaltige Geldanlagen überzeugen immer mehr Investoren, außerdem kann man den Aspekt der Nachhaltigkeit auch als Mehrwert im Kundenkontakt verwenden." 

Hinweis: Wertentwicklungen der Vergangenheit ermöglichen keine Prognose für die Zukunft.

Quelle: Raiffeisen Nachhaltigkeits-Initiative, 21.12.2018