Vermögensanlage in Krisenzeiten
Wie der Balanceakt zwischen Chancen und Risiken gelingt, erklärt Rudolf Eder, Stv. Leiter PRIVAT BANK bei PRIVAT BANK der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und Vorstandsmitglied des Österreichischen Verbandes Financial Planners.
Die Coronakrise belastet unsere Wirtschaft seit über zwei Jahren und die Invasion Russlands in der Ukraine gießt zusätzlich Öl ins Feuer. Die Folge: explodierende Rohstoffpreise und Rekordinflation. Dieses Umfeld hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf unsere Kaufkraft, sondern auch auf unsere Vermögensverwaltung und Altersvorsorge. Daher ist es gerade jetzt umso wichtiger, sich einen Überblick über die eigenen Finanzen zu verschaffen und sich Basiswissen rund um das Thema Geld anzueignen.
Um sich ein Bild von den möglichen Auswirkungen des herausfordernden Wirtschaftsumfeldes auf die eigenen Finanzen zu machen, ist es ratsam, eine Aufteilung der Vermögenswerte in einzelne Asset-Klassen vorzunehmen und diese dann auf zentrale Fragestellungen hin zu beurteilen. Die Hauptaufgabe ist es, nach Möglichkeiten zu suchen, um die Wertschwankungen im Vermögen möglichst zu limitieren und trotz Rekordinflation die Kaufkraft weitgehend zu erhalten.
- Geldbestände sind vom Kaufkraftverlust und der Nullzinspolitik am stärksten betroffen. Sie sollten aktuell nur als Notgroschen bzw. als taktische Reserve zur Wiederveranlagung gehalten werden. Prüfen Sie, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der persönlichen Liquidität absehbar ist, etwa durch Einkommenseinbußen oder erhöhte Ausgaben. In diesem Fall sollten größere Reserven eingeplant werden.
- Wertpapiere sind durch die erhöhten Schwankungen an den internationalen Börsen in Krisenzeiten meist am stärksten betroffen. Diese Volatilität führt immer wieder zu Verunsicherung bei den Anlegern – doch nach jedem Abschwung folgt früher oder später ein Aufschwung. Die Vergangenheit hat oft gezeigt, dass ein nach Regionen und Sektoren breit diversifiziertes Portfolio langfristig überdurchschnittliche Erträge erzielt und für die nötige Flexibilität in der Gesamtvermögensstruktur sorgt.
- Gold unterliegt ebenfalls höheren Schwankungen und kann kaum als kurzfristiger Inflationsschutz dienen. Als langfristiger Stabilisator hat es durch seine guten Korrelationseigenschaften zu anderen Anlageklassen nach wie vor seine Berechtigung.
- Immobilien versprechen auf lange Sicht einen guten Inflationsschutz. Sie bieten jedoch beim Neuerwerb aufgrund des derzeit sehr hohen und wenig planbaren Preisniveaus sowie des Nachfrage-Überhangs kaum gewinnbringende Renditen. Bei Bestandsobjekten macht es Sinn, nun eine Sanierung anzudenken, um die steigenden Energiekosten abzufedern sowie staatliche Fördermaßnahmen und Steuereffekte zu nutzen.
In Kompetenz investieren
Krisen bedeuten für die Wirtschaft immer Unsicherheit und zunehmende Komplexität in Hinblick auf die Zukunft. Daher ist es ratsam, zusammen mit der jeweiligen Finanzberaterin oder dem Finanzberater Szenarien zu entwickeln, um die Anlagestrategie entsprechend anzupassen. Trotz der aktuell schwierigen Situation sollten die Chancen, die mit der Erholung nach der Krise einhergehen nicht vernachlässigt werden. Tiefststände bei Wertpapieren bieten günstige Kaufgelegenheiten, beispielsweise bei Qualitätsaktien. Um diesen Balanceakt zwischen Chancen und Risiken zu schaffen, ist es noch wichtiger, sich Basiswissen in Finanzfragen anzueignen. Denn wer nichts weiß, muss alles glauben. Professionelle Unterstützung durch einen Experten ist gerade jetzt wertvoll. Die Suche nach der passenden Finanzberaterin bzw. dem passenden Berater gestaltet sich oft nicht einfach. Zertifizierungen als „Gütesiegel“ können helfen, sich im Angebotsdschungel zu orientieren. So gilt etwa der Certified Financial Planner CFP® als internationaler Gold-Standard in der Beratungsbranche. Berater, die dieses Siegel tragen, haben nicht nur eine umfassende Ausbildung absolviert und können maßgeschneiderte Finanzpläne aufsetzen, sondern sind auch zu laufender Weiterbildung verpflichtet und arbeiten nach einem Ehrenkodex.
Quelle: Österreichischer Wirtschaftsverlag, 11.05.2022