Lust auf Arbeit

„Es gibt immer noch Menschen, die glauben, New Work sind neue fahrbare Möbel, die man verschieben kann. Nein, nein, nein.“

Wir fragen Arbeitswelten-Experte Andreas Gnesda, seit 1985 Gestalter von Arbeitswelten und begeisterter Unternehmer, nach der Lust auf Arbeit. Sein Anliegen: Die Schaffung von Arbeitswelten, die Mensch und Organisation wirksam machen.

Mit mehr als fünfhundert Projekten im In- und Ausland mit seinem Unternehmen teamgnesda, gibt er seine Erfahrungen seit vielen Jahren als Lektor an Universitäten, Fachhochschulen, als Key-Note-Botschafter, als Trainer und Buchautor weiter.

Von 2014-2020 war Gnesda Präsident des Österreichischen Gewerbevereins und seit 2017 leitet er als Beiratsvorsitzender der Leitbetriebe Austria die Unit Arbeitswelten. 

New Work

RLB OÖ: Wenn „New Work“ ein Möbelstück wäre, was wäre das für Sie und warum?

Andreas Gnesda: Eine spannende Frage, die mir so noch nie gestellt wurde! New Work hat unter anderem auch mit Möbeln zu tun, aber welches Möbelstück für New Work steht ist nicht einfach, ich entscheide mich für meinen Küchentisch. Wir haben in unserer Wohnküche einen alten Tisch, Tischplatte in dunkler Eiche furniert. Der Tisch ist ausziehbar. Er steht für mich für New Work, weil an diesem Tisch essen wir, haben unsere Kinder ihre Hausaufgaben gemacht, sitzen wir abwechselnd mit dem Computer oder I-pad, manchmal basteln wir an dem Tisch oder machen Weihnachtskekse. Der Tisch hat auch schon viele Partys erlebt in ausgelassener Stimmung wie aber auch tiefsinnige Gespräche. Manchmal spielen wir an dem Tisch und dann hat er noch die Möglichkeit zum Ausziehen. An dem Tisch fühlt man sich zu Hause, wenn man allein ist, in der Familie, mit Gästen und bis zu 12 Personen.

                

Das ideale Symbol für New Work, viele Funktionen und Möglichkeiten und die Nutzer entscheiden nach Lust, Laune, Aufgabe, Tagesverfassung wie und für welche Tätigkeit sie den Tisch nutzen wollen. Aber auch ein Symbol für Verbindung und Verbundenheit in vielen Facetten, ein Ausdruck von Kultur. Die abgenutzte Tischplatte ist zugleich Spiegel und Speicher der vielen Gespräche und Gedanken, Begegnungen und Zusammenkünfte, die an diesem Tisch stattgefunden haben.
 

RLB OÖ: Wenn ein Möbelstück „Old Work“ versinnbildlichen würde, welches wäre es und warum?

Gnesda: Bei Old Work würde ich mich für eine alte Truhe entscheiden. Sie ist extrem unflexibel, schwer, unpraktisch zu bedienen, ich muss mich bücken, wenn ich was rausholen will, innen ist sie unorganisiert, ich muss lange suchen und kramen bis ich was finde. Die Truhe ist kein Ort der Begegnung, sie hat etwas „Schwerfälliges“, Unbewegliches. Früher wurde sie zur Aufbewahrung von Geld verwendet, sie war Behälter und Ausdruck materieller Werte.
 

RLB OÖ: Wie definieren Sie „New Work“?

Gnesda: Ich halte es da mit der Definition von Frithjof Bergmann (geb. 1930, verst. 2021), der als Begründer und Pionier von New Work gilt: „New Work ist das, was die Menschen wirklich, wirklich wollen“. Er betonte immer zweimal das Wort „wirklich“. 

                

New Work öffnet die Tür zu einem selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und eigeninitiativen Tun. Freiheit und Selbstbestimmtheit auf der einen Seite gehen in Balance mit Performance und Verantwortung auf der anderen Seite. New Work ist eine Chance! Manchen fällt es schwer, diese Balance zu halten, speziell wenn das Maß an Freiheit und Selbstbestimmtheit sehr groß ist. Das macht nichts, man kann das lernen. Wir sind in anderen Systemen sozialisiert, gebt der Veränderung Zeit!

RLB OÖ: Wie definieren Sie „Arbeit“?

Gnesda: Arbeit ist etymologisch leider ein negativ besetzter Begriff, kommt aus dem Mittelhochdeutschen und steht für „Beschwernis, Leiden, Mühe oder Mühsal“. Im Englischen haben wir zwei Begriffe für Arbeit: Labour und Work.

                

Arbeit ist dazu gedacht, dass Menschen in Wirkung kommen, vielleicht sogar in ihrer Ganzheit in Wirkung kommen. Die Worte Beruf und Berufung haben damit zu tun. Nach V. Frankl ist „das Leben eine Gelegenheit zu etwas“. Es liegt an uns, diese Gelegenheit zu erkennen, wahrzunehmen und zu nützen. Und Arbeit ist als wesentlicher Teil unseres Lebens eine „großartige Gelegenheit, um die Gelegenheit des Lebens wahrzunehmen“. So und nicht anders will ich den Begriff Arbeit verstanden wissen.
 

RLB OÖ: Kann „New Work“ ohne „New Leadership” gedacht werden?

Gnesda: Nein, nicht einmal „gedacht“ werden. 

Leadership ist ein „Dienst“ an der Organisation und neue Arbeitswelten werden ohne diesen Dienst nicht funktionieren.
 

RLB OÖ: Was ist in der “New World of Work” wichtiger: Möbel oder Mindset?

Gnesda: Bin über die Frage überrascht – natürlich ist es das Mindset. Die Frage ist aber offensichtlich notwendig, weil es noch immer Menschen gibt, die glauben, New Work sind neue fahrbare Möbel, die man verschieben kann. Nein, nein, nein. 

New Work ist eine Haltung! Möbel können Ausdruck dieser Haltung sein. Ohne Mindset wird es kein New Work geben. Büro und damit Möbel sind gebaute Kultur und Kultur kann man nicht kaufen. Kultur kann man nur „Raum“ geben, damit sie sich entwickeln kann.
 

RLB OÖ: Was kommt nach „New Work“?

Gnesda: Ich glaube nichts, weil New Work eine Geisteshaltung ist. New Work ist eine Orientierung, eine Richtung, die wir einschlagen. Der Weg entsteht, indem wir ihn gehen. Auf dem Weg gibt es viele Meilensteine, die wir als vermeintliche Ziele ausmachen. 

                

Aber es geht immer weiter und das ist gut so. Einem alten asiatischen Sprichwort (Buddha) folgend „there is no road to happiness, happiness is  the road“ wünsche ich viel Freude auf dem Weg zu New Work.

RLB OÖ: Danke für das Gespräch!