Interview mit Wilfried Hopfner
KommR Betriebsökonom Wilfried Hopfner spricht im Interview mit der Zeitung „Die Wirtschaft“ über die Bedeutung der Banken für den Standort, laufende Transformationsprozesse und den Regulierungswahn. Das Interview führte Herbert Motter.
Das Image der Banken leidet. Sind die Banken die Verlierer einer überstrapazierten Wachstumsorgie?
Wilfried Hopfner: Etwas überspitzt formuliert ist es schon eine besondere Situation, vom „Everybody’s Darling“ zum Buhmann der Nation zu werden. Uns regionalen Bankern war immer bewusst, welche Bedeutung die Banken für das Land und die Menschen haben. Die Geld- und Wirtschaftspolitik weltweit und speziell in Europa waren darauf aufgebaut, mit Krediten das Wachstum zu finanzieren. Über einen langen Zeitraum hat dann aber die Finanzwirtschaft ein quasi Eigenleben entwickelt. Aus meinem Verständnis heraus falsch, weil Geld- und Finanzwirtschaft der Realwirtschaft dienen muss. Zudem hat die Finanzwirtschaft Produkte entwickelt und so auf die Spitze getrieben, was schlussendlich zur Lehman-Pleite geführt hat.
Die Erkenntnis daraus?
Wilfried Hopfner: Man hat erkannt, dass Finanzprodukte entstanden sind, die nicht der Realwirtschaft dienen, die niemand gebraucht hat und auch in Zukunft niemand braucht. Bei Politik und Aufsicht entstand das Gefühl, jetzt alles regulieren zu müssen. Es gab eine zu lange Phase der Liberalisierung, die für eine globale Entwicklung zwar positiv war, aber jetzt schlägt das Pendel zu sehr in die andere Richtung um. Ich wünschte mir mehr Augenmaß und Proportionalität.
Sie haben einmal die Aufgabe der Banken mit dem Blutkreislauf eines menschlichen Körpers verglichen. Geht ohne Banken denn nichts mehr?
Wilfried Hopfner: Definitiv, ich bin überzeugt, dass die Banken wirklich der Blutkreislauf der Wirtschaft sind, ohne Banken funktioniert gar nichts. Allerdings nur dann, wenn die Banken, so wie wir regionale Banken, das Banking als Unterstützung der Realwirtschaft verstehen. Die Banken sind quasi mitverantwortlich für den Fall oder Aufstieg eines Wirtschaftsstandortes? Aus meiner Sicht ja, weil hier ein wichtiger Kreislauf besteht, in dem wir Banken zwei Transformationsthemen übernehmen. Zum einen den Risikoausgleich. Der Sparer will für sein Geld, das er der Bank anvertraut, Sicherheit. Es darf und muss ihn nicht interessieren, was wir Banken damit tun. Wir müssen das Geld unseren Kreditnehmern nach unternehmerischen Aspekten zur Verfügung stellen. Auch hat der Sparer Interesse an kurzfristigeren Veranlagungen, der Kreditnehmer jedoch braucht langfristige Finanzierungen. Diese beiden Arten von Transformation sind also ganz wesentliche Aufgaben von regionalen Banken. Auch für einen funktionierenden Zahlungsverkehr haben die Banken eine wichtige Aufgabe und auch hier könnte man von einem Kreislauf sprechen.
Nun hat sich das Kundenverhalten massiv verändert. Wie wirkt sich das auf das Geschäftsmodell aus?
Wilfried Hopfner: Wir regionalen Banken sind für unsere Kunden in den vergangenen Jahren vor allem durch unser Bankstellennetz wahrnehmbar gewesen. Jetzt passiert ein unheimlicher Transformationsprozess, eine zunehmende Technologisierung und der erkennbare Trend, Banking rund um die Uhr jederzeit verfügbar zu machen. Das führt dazu, dass viele Kunden, besonders die jungen Kunden, nicht mehr den Kontakt mit der Bankstelle suchen, sondern diese neuen Technologien nutzen. Nach wie vor wird der Mitarbeiter, der Berater, im Mittelpunkt stehen, aber in anderer Form, nicht mehr wenn es etwa darum geht, sich Bargeld zu beschaffen am Schalter, sondern wenn es um eine qualifizierte Beratung geht. Und alles, was einfach ist, was schnell gehen muss, alles was jederzeit zugänglich sein muss, ist in der Technologie verfügbar. Das heißt für uns, Investitionen in neue Technologien und abnehmende Investitionen in Bankstellen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung eines gewissen Bankstellennetzes.
Die Sparte hat sich vor Jahren für den Ausbildungsschwerpunkt FiRi stark gemacht. Brauchen die Banken künftig denn noch Mitarbeiter?
Wilfried Hopfner: Das war und ist eine herausfordernde Aufgabe. Doch regionales Banking wird immer personifiziertes Banking sein. Aber unter neuen Vorzeichen. Die Anforderungsprofile waren und sind einem ständigen Wechsel unterzogen. Es braucht aber stets Mitarbeiter, die mit Menschen umgehen und die gute Beratung machen wollen, in einem fairen Verhältnis zum Kunden. Bestimmte Geschäfte wird uns die Technik abnehmen, da braucht es keine Mitarbeiter mehr. Banker zum Angreifen und Banking zum Anklicken wird für uns regionale Banken auch in Zukunft gelten. Und im Risikobereich sowie bei der Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen braucht es Menschen, die mit Zahlen umgehen wollen. Daher ist der FiRi-Schwerpunkt weiterhin essenziell.
Die vielen Regulierungsmaßnahmen kosten den Banken viel Geld ...
Wilfried Hopfner: Die Lehman-Pleite hat bei der Politik und bei der Aufsicht dazu geführt, alles regulieren zu wollen. Gerade die EZB in ihrer Doppelfunktion als Hüter des Geldes und als oberste Aufsicht überschlägt sich in der Suche nach Regulierungsmöglichkeiten. Leider trifft es das typische regionale Bankgeschäft, das für die Realwirtschaft zur Verfügung steht, und damit uns überproportional. Die Politik in Europa will offensichtlich lieber ein Europa mit wenigen großen Banken als mit vielen kleinen. Ich halte das für ein systemisches Risiko. Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften sind sinnvoll und richtig, aber sie sollten für alle Marktplayer gelten. Wir investieren ungeheuer viel Geld in die Sicherheit. Neue Anbieter, die außerhalb des Radars der Aufsicht agieren und weniger investieren müssen, führen zu einer Wettbewerbsverzerrung, die auch aufgezeigt gehört. Es gibt übrigens meines Wissens keine andere Branche, die ihre schwarzen Schafe und deren Vergehen finanzieren muss, so wie es in Österreich indirekt über die Bankenabgabe passiert. Nochmals, ich habe Verständnis für ein sicheres Bankensystem, das ist unabdingbar, aber es sollte mit Augenmaß passieren.
Dazu kommt noch die lang anhaltende Phase der Niedrigzinspolitik?
Wilfried Hopfner: Das ist eine ganz besondere Herausforderung, denn die Sparer müssen bei Laune gehalten werden. Die EZB möchte, vereinfacht dargestellt, die Inflation bekämpfen und das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Die Erfahrung zeigt, dass diese Niedrigzinspolitik nicht zum gewünschten Wachstum führt, weil der europäischen Wirtschaft die Zukunftsphantasie fehlt. Die Investitionen sind gegeben, aber verhaltener als in der Vergangenheit, und Wachstum resultiert nun einmal aus Investitionen. Es gibt ja jetzt immer mehr Rufer, die hoffentlich auch gehört werden, welche die EZB vor der Gefährlichkeit dieser Politik warnen. Für mich ist es unvorstellbar, dass wir von Sparern Geld verlangen für das eingelegte Geld, und genauso ist es unvorstellbar, dass Kreditnehmer Geld erhalten statt Zinsen bezahlen.
Die Bankenwelt ändert sich. Alternative Banken wie die Ethikbank bzw. Gemeinwohlbank treten auf. Was kommt hier auf die Branche zu?
Wilfried Hopfner: In jeder Zeit entwickeln sich bestimmte Themen. Die Weltwirtschaft, insbesondere die europäische Wirtschaft, war gänzlich auf Wachstum ausgerichtet, da ist vielleicht Ethik und Moral etwas in den Hintergrund getreten. Diese Nischenplayer, die sich das Thema der Nachhaltigkeit auf die Fahnen heften, werden an Bedeutung gewinnen. Sie haben eine gewisse Berechtigung, sie werden aber nicht aus gesamtwirtschaftlicher Sicht agieren und die dafür notwendigen Erfordernisse allein erfüllen können. Im Übrigen stehen auch wir regionale Banken für nachhaltiges Banking. Für gefährlicher halte ich die FinTech-Unternehmen, die mit reiner Technologie in das Segment des Zahlungsverkehrs einzudringen versuchen, mit relativ geringem Investment, steigenden Marktanteilen und zum Teil außerhalb der Regulatorik agieren.
Ist die Beschränkung von Barzahlungen wirklich eine ernsthafte Option?
Wilfried Hopfner: Die Diskussion darüber halte ich für entbehrlich, um nicht zu sagen für überflüssig. Ich kann dem nur etwas abgewinnen, wenn es darum geht, die internationale Kriminalität in den Griff zu bekommen. Wir Banken sind ja schon über unsere Geldwäscherei-Bestimmungen massiv involviert, um sicherzustellen, dass die Zahlungsverkehrstransaktionen sauber über die Bühne gehen können. Bargeld ist einfach ein Teil unserer Kultur. Für mich ist es unvorstellbar, ohne Bargeld auszukommen. Ich denke, wir hätten aktuell wichtigere Themen zu diskutieren.
Wo tankt Wilfried Hopfner Energie?
Wilfried Hopfner: In erster Linie in der Familie und seit ziemlich genau 36 Jahren in der Partnerschaft mit meiner Frau. Sie ist mein klarer Ankerpunkt. Dazu kommt das Privileg, an einem so wunderbaren Ort leben und arbeiten zu dürfen. Hier finde ich alles. Freizeit ist für mich, Natur zu erleben und keine Uhr am Handgelenk zu tragen. Dann habe ich das Gefühl, Zeit für mich zu haben.