Interview mit Manuel Schwarzinger
„Digitalisierung ist eine Haltung“

Interview mit Manuel Schwarzinger

Digitalisierung im Bankwesen

Wie geht Digitalisierung in der Bank? Dieser Frage gingen Studierende nach und stellten sie dem Bereichsleiter für „IT und Digitalisierung“ der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich – Manuel Schwarzinger.

Tobias Primetzhofer (ÖH WiWi): Du bist Leiter des Bereichs „IT und Digitalisierung“ der Raiffeisenlandesbank OÖ - was heißt das genau? Was kann man sich darunter vorstellen?

Schwarzinger: Das sind mehrere Themen, die da drinnen stecken. Zum einem ist IT die große Überschrift für „wie sieht unsere Anwendungslandschaft aus, welche Themengebiete wollen wir wie weiterentwickeln?“

Der zweite Teil, die Digitalisierung, beschäftigt sich damit, wie wir interne Abläufe kundenzentrierter aufstellen können und auch gegenüber Kund:innen solche Lösungen anzubieten, die ihrem Digitalisierungsanspruch gerecht werden.

Manuel Schwarzinger
Manuel Schwarzinger

Primetzhofer: Gibt es da vielleicht irgendwelche Projekte, die aktuell in deiner Abteilung behandelt werden? Kannst du uns da über ein besonders spanendes Projekt berichten?

Schwarzinger: Ja, wir haben aktuell viele Projekte. Ich möchte zwei exemplarisch erwähnen, die ganz unterschiedlich gelagert sind. Das eine ist der Datenhaushalt, den wir als Bank haben. Wir müssen ja bekannterweise sehr viel über unsere Kund:innen wissen, um Finanzierungen und dergleichen anbieten zu können. Ich sag immer, wir müssen unsere Daten im Griff haben, damit wir dann echten Mehrwert für unsere Kunden auf Basis dieses Wissens stiften können.

Das zweite Projekt beschäftigt sich mit ELBA, unserem Online Banking. Wir sind gerade dabei, ein Pendant für Firmenkund:innen in völlig neuer Form zu entwickeln. 

Primetzhofer: Online Banken oder FinTechs bieten ja sehr oft das Geschäft mit Kryptowährungen an. Gibt es da von der Raiffeisenlandesbank OÖ auch ein Angebot oder ist das ein Geschäftsfeld, das man bewusst alternativen Handelsplattformen überlässt?

Schwarzinger: Da muss man, glaube ich, ein bisschen differenzieren. Die Technologien hinter den Kryptowährungen, also Blockchain und dergleichen, sind sehr spannend. Dem müssen wir als Banken gegenüber sehr aufgeschlossen sein. Kryptowährungen als solche – und das ist meine persönliche Meinung - sind momentan im Reich der Spekulation, was jetzt gar nicht schlecht ist. Wenn jemand in Kryptowährungen investieren möchte, sollte er oder sie aus meiner Sicht genau wissen, was er oder sie tut. 

Primetzhofer: Hat die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich eine Digitalisierungsstrategie?

Schwarzinger: Ja, wir haben eine Digitalisierungsstrategie. Im Prinzip geht es darum: Digitalisierung ist eine Haltung und beginnt im Kopf, das muss sozusagen bei allen Mitarbeiter:innen im Haus drinnen sein und fokussiert sich einfach auf die konkreten Themengebiete. Digitalisierung ist kein Modetrend, das geht nicht vorbei. Diesem Thema muss man sich offensiv zuwenden und dazu braucht es eine Strategie. Warum? Unter Digitalisierung stellt sich jeder etwas anderes vor und wir haben für uns immer den Vergleich mit einem wie ein Spielfeld gezogen. Wir müssen dieses Spielfeld für uns definieren. Denn wenn zwei Sportler aufeinander zugehen und sagen „spielen wir gegeneinander“ und dann kommt man erst während dem Spiel darauf, dass der eine Tennis spielt und der andere Fußball – das geht sich nicht aus. Deswegen brauchen wir eine Digitalisierungsstrategie, um die Themen klar abzustecken.

Primetzhofer: Welche Herausforderungen ergeben sich durch die Digitalisierung für die Mitarbeiter:innen der Raiffeisenlandesbank OÖ?

Schwarzinger: Unsere Dienstleistungen gehören zum täglichen Bedarf, allerdings sind die eigentlichen Grundbedürfnisse oft nicht unmittelbar ersichtlich. Ich nenne da ein konkretes Beispiel: Wenn jemand ein Haus bauen will, dann ist Emotion damit verbunden. Jemand will sich Wohnraum schaffen! Dort ist Emotion und Leidenschaft, und am Ende braucht der oder diejenige auch eine Finanzierung und dazu vielleicht die Bank. Nur dort ist keine Leidenschaft mehr. Die Finanzierung ist Mittel zum Zweck. Die Herausforderung ist: Wie kommen wir mit unseren Services und Dienstleistungen stärker an das Kundenbedürfnis, damit wir nicht nur dann hinten über eine Finanzierung reden. Verallgemeinert gesagt: Wie schaffen wir es, unser Dienstleistungsportfolio so attraktiv zu gestalten, dass es die Kundenbedürfnisse, wirklich genau dort, wo sie entstehen, abholen. Das ist die große Herausforderung, weil ganz ehrlich - Bankprodukte sind jetzt nicht unbedingt etwas, das Leidenschaft bei Kund:innen entfacht. Genau diese Brücke zu schlagen ist die Herausforderung im Digitalisierungsumfeld der Banken.

Primetzhofer: Um im Bereich Digitalisierung in der Bank zu arbeiten, muss ich dafür Wirtschaftsinformatik studiert haben?

Schwarzinger: Also man muss alles können, alles studiert haben. Es ist meine feste Überzeugung, dass die Herausforderungen der Digitalisierung nur in Teamkonstellationen gelöst werden können. Teams performen immer dann am besten, wenn eine gewisse Diversität da ist. Das heißt konkret auch bei mir im Bereich arbeitet eine bunte Mischung aus Menschen, die viele Jahre Bankerfahrung haben und jetzt da hineingekommen sind, aber auch viele mit IT-Background, allerdings auch manche die weder Bank- noch IT-Background haben. Es geht viel mehr darum, Konzepte zu Ende zu denken und nicht nur einen spezifischen Ausschnitt zu sehen. IT-Verständnis schadet nie, aber es ist nicht so, dass alle Digitalisierungsleute aus der IT kommen und das ist gut so. Würden alle aus der IT komme, wäre es nicht gut, weil wir viel zu sehr eingeschränkt in der Sichtweise wären. Leidenschaft, das heißt für das Thema brennen, Lernwilligkeit, auch ein gewisser Blick über den Tellerrand – das ist viel wichtiger die einschlägige Ausbildung.

Primetzhofer: Inwiefern wirkt sie die Digitalisierung auf das Berufsfeld vom Bankier aus - wie verändert sich das Berufsfeld da?

Schwarzinger: Wir brauchen immer Leute die Kreditrisiko abbilden, wir brauchen auch immer Leute, die Kredit-Controlling und Kredit-Gestion machen, aber man braucht sehr viel in Richtung datengetriebenes Arbeiten. Das geht auch in Richtung Informatik, Wirtschaftsinformatik, Statistik, Mathematik, aber wir brauchen auch sehr viel in Richtung Mediendesign, User-Interface, und das hat sich schon massiv verändert in den letzten Jahren, das Thema ist viel breiter geworden. Das sind alles Berufsbilder und Betätigungsfelder, die mit dem typischen Banking nichts zu tun haben, aber für eine Bank sehr entscheidend sind.

Primetzhofer: Mathematik, Statistik, Digitalisierung - das sind alles Berufsbilder, die meist als Männerdomäne assoziiert werden. Kannst du das bestätigen oder ist das bei euch in der RLB anders?

Schwarzinger: Also, es ist leider eine Männerdomäne. Das ist ein Problem aus meiner Sicht und ich ermutige jede - scheut euch nicht davor, diese Ausbildungen zu machen. Je technischer eine Ausbildung klingt, desto größer ist die Gefahr, dass Mädchen und junge Frauen abgeschreckt werden. Wie gesagt, die Herausforderungen der Digitalisierung können wir nur als Team meistern, und es muss eine gewisse Diversität gegeben sein. Daher mein Appell an alle jungen Frauen, scheut euch nicht vor technischen Ausbildungen. Motivierts eure Schwestern, Freundinnen, Cousinen.
 

Primetzhofer: Wird das Thema Homeoffice bei der Raiffeisenlandesbank OÖ auch nach Corona eine Rolle spielen?

Schwarzinger: Homeoffice ist sicher gekommen, um zu bleiben, aber die Dosis macht das Gift. Also ich gehe nicht davon aus, dass nachhaltig die Leute wieder fünf Tage pro Woche im Büro sein werden. Aus meiner Sicht wird sich eine Situation einpendeln, bei der zu ein bis zwei Tage Homeoffice die Woche tendiert wird. Es wird immer von den individuellen Arbeitnehmern abhängen. Die Leute erbringen genauso ihre Leistung, es funktioniert.
 

Primetzhofer: Wird es zukünftig den klassischen Schalterjob noch geben oder wird er früher oder später der Digitalisierung zum Opfer fallen?

Schwarzinger: Das ist eine sehr gute Frage und ich glaub auch, die wird sehr polarisieren. Tatsache ist, wenn man sich die Transaktionszahlen der letzten Jahre ansieht, wie sich die Schalterfrequenz und so weiterentwickelt hat, dann sieht man einen rückläufigen Trend. Ob das in dieser Geschwindigkeit weitergehen wird und ob das irgendwann gegen null gehen wird, das ist auch zu bezweifeln, aber natürlich nimmt das Schaltergeschäft massiv ab. Mit dem Abnehmen des Schaltergeschäfts ist natürlich auch verbunden, dass die Kapazitäten, die man dort braucht, nicht mehr in der Größenordnung vorhanden sein müssen, wie sie es in der Vergangenheit waren. Verschwinden wird es aber nicht.

Dieses Interview wurde im Zuge eines Instagram Livetalks mit der Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) der Studiengänge Wirtschaftswissenschaften (WiWi), Wirtschaftspädagogik (WiPäd) und Betriebswirtschaftslehre (BWL) am 23. März 2021 durchgeführt. Die Fragen wurden von Tobias Primetzhofer, Vorsitzender der ÖH WiWi, gestellt.